In ganz Europa und Zentralasien leben etwa eine Million Kinder in großen Wohneinrichtungen, die als Waisenheime bekannt sind. Die meisten stellen sich Waisenheime als liebevolle Umgebungen vor, die sich um Kinder kümmern. Manche wissen mehr über die dortigen Lebensbedingungen, aber sie denken trotzdem, dass sie ein notwendiges Übel sind. Wo sonst sollte man all diese Kinder unterbringen, die keine Eltern haben?
Across Europe and Central Asia, approximately one million children live in large residential institutions, usually known as orphanages. Most people imagine orphanages as a benign environment that care for children. Others know more about the living conditions there, but still think they're a necessary evil. After all, where else would we put all of those children who don't have any parents?
Aber 60 Jahre Forschung haben bewiesen, dass die Trennung der Kinder von ihren Familien und ihre Unterbringung in großen Einrichtungen ihrer Gesundheit und Entwicklung ernsthaft schadet, und das trifft besonders auf Babys zu. Bekanntlich ist bei der Geburt die Muskulatur von Babys noch nicht vollständig entwickelt und das schließt das Gehirn ein. In den ersten drei Jahren ihres Lebens wächst das Gehirn zu seiner vollen Größe an, dabei findet der größte Teil des Wachstums in den ersten sechs Monaten statt. Das Gehirn entwickelt sich als Reaktion auf Erfahrung und Stimulation. Jedes Mal, wenn ein junges Baby etwas Neues lernt – seine Augen zu fokussieren, eine Bewegung oder einen Gesichtsausdruck zu imitieren, etwas aufzuheben, ein Wort zu bilden oder aufrecht zu sitzen – entstehen neue synaptische Verbindungen im Gehirn. Junge Eltern sind von der Schnelligkeit dieses Lernens überrascht. Sie sind über die Klugheit ihres Kindes erstaunt und erfreut. Sie kommunizieren ihre Freude dem Kind, das mit Lächeln reagiert, und mit dem Wunsch, mehr zu erreichen und mehr zu lernen. Diese Entstehung einer starken Bindung zwischen Kind und Eltern liefert die Bausteine für körperliche, soziale, sprachliche, kognitive und psychomotorische Entwicklung. Das bildet Modell für alle zukünftigen Beziehungen mit Freunden, mit Partnern und mit den eigenen Kindern. In den meisten Familien passiert das so natürlich, dass wir es gar nicht bemerken. Die meisten von uns wissen nicht, wie wichtig das für die menschliche Entwicklung und für die Entwicklung einer gesunden Gesellschaft ist. Erst wenn es schief läuft, beginnen wir, die Bedeutung von Familien für Kinder zu erkennen.
But 60 years of research has demonstrated that separating children from their families and placing them in large institutions seriously harms their health and development, and this is particularly true for young babies. As we know, babies are born without their full muscle development, and that includes the brain. During the first three years of life, the brain grows to its full size, with most of that growth taking place in the first six months. The brain develops in response to experience and to stimulation. Every time a young baby learns something new -- to focus its eyes, to mimic a movement or a facial expression, to pick something up, to form a word or to sit up -- new synaptic connections are being built in the brain. New parents are astonished by the rapidity of this learning. They are quite rightly amazed and delighted by their children's cleverness. They communicate their delight to their children, who respond with smiles, and a desire to achieve more and to learn more. This forming of the powerful attachment between child and parent provides the building blocks for physical, social, language, cognitive and psychomotor development. It is the model for all future relationships with friends, with partners and with their own children. It happens so naturally in most families that we don't even notice it. Most of us are unaware of its importance to human development and, by extension, to the development of a healthy society. And it's only when it goes wrong that we start to realize the importance of families to children.
Im August 1993 hatte ich zum ersten Mal Gelegenheit, in großem Umfang den Einfluss von Heimunterbringung und Abwesenheit von Eltern auf Kinder zu beobachten. Diejenigen, die sich an die Zeitungsberichte erinnern, die nach der Revolution von 1989 aus Rumänien kamen, werden sich an die Horrorzustände in einigen dieser Einrichtungen erinnern. Ich wurde gebeten, dem Direktor einer großen Einrichtung zu helfen, die Trennung von Kindern von ihren Familien zu verhindern. Als Unterkunft von 550 Babys war es Ceausescus Vorzeigewaisenheim und mir wurde gesagt, dass die Zustände dort viel besser waren. Da ich mit vielen kleinen Kindern gearbeitet hatte, erwartete ich, dass in der Einrichtung ein Gewirr aus Lärm herrschen würde, aber es war so leise wie in einem Kloster. Es war schwer zu glauben, dass es hier überhaupt Kinder gab, aber der Direktor zeigte mir einen Raum nach dem anderen, jeden mit endlosen Reihen an Kinderbetten, in jedem lagen Kinder, die in die Luft starrten. In einem Raum mit 40 Neugeborenen weinte kein einziges. Trotzdem sah ich schmutzige Windeln und konnte sehen, dass einige von den Kindern unglücklich waren, aber das einzige Geräusch war ein leises, kontinuierliches Stöhnen. Die Oberschwester sagte mir stolz: "Sehen Sie, unsere Kinder sind sehr gut erzogen." Innerhalb der nächsten paar Tage dämmerte es mir, dass diese Stille nicht außergewöhnlich war. Die neu aufgenommenen Babys weinten in den ersten paar Stunden, aber ihre Bedürfnisse wurden nicht befriedigt und irgendwann lernten sie, sich nicht mehr zu bemühen. Innerhalb weniger Tage wurden sie lustlos, lethargisch und starten in die Luft, wie alle anderen.
In August, 1993, I had my first opportunity to witness on a massive scale the impact on children of institutionalization and the absence of parenting. Those of us who remember the newspaper reports that came out of Romania after the 1989 revolution will recall the horrors of the conditions in some of those institutions. I was asked to help the director of a large institution to help prevent the separation of children from their families. Housing 550 babies, this was Ceausescu's show orphanage, and so I'd been told the conditions were much better. Having worked with lots of young children, I expected the institution to be a riot of noise, but it was as silent as a convent. It was hard to believe there were any children there at all, yet the director showed me into room after room, each containing row upon row of cots, in each of which lay a child staring into space. In a room of 40 newborns, not one of them was crying. Yet I could see soiled nappies, and I could see that some of the children were distressed, but the only noise was a low, continuous moan. The head nurse told me proudly, "You see, our children are very well-behaved." Over the next few days, I began to realize that this quietness was not exceptional. The newly admitted babies would cry for the first few hours, but their demands were not met, and so eventually they learned not to bother. Within a few days, they were listless, lethargic, and staring into space like all the others.
Im Lauf der Jahre haben viele Menschen und Reportagen dem Personal der Einrichtungen die Schuld gegeben am Leid, das den Kindern zugefügt wird, aber oft muss ein Angestellter sich um 10, 20 oder sogar 40 Kinder kümmern. Daher haben sie keine Wahl, als ein reglementiertes Programm einzuführen. Die Kinder müssen um 7 geweckt und um 7:30 gefüttert werden. Um 8 werden ihre Windeln gewechselt. Daher haben die Mitarbeiter nur 30 Minuten, um 10 oder 20 Kinder zu füttern. Wenn ein Kind seine Windel um 8:30 beschmutzt, muss es einige Stunden warten, bis sie gewechselt werden kann. Der tägliche Kontakt der Kinder mit anderen menschlichen Wesen war auf ein paar hastige Minuten für Füttern und Windelwechseln reduziert. Darüber hinaus war ihre einzige Anregung die Decke, die Wände oder die Stäbe ihrer Kinderbetten.
Over the years, many people and news reports have blamed the personnel in the institutions for the harm caused to the children, but often, one member of staff is caring for 10, 20, and even 40 children. Hence they have no option but to implement a regimented program. The children must be woken at 7 and fed at 7:30. At 8, their nappies must be changed, so a staff member may have only 30 minutes to feed 10 or 20 children. If a child soils its nappy at 8:30, he will have to wait several hours before it can be changed again. The child's daily contact with another human being is reduced to a few hurried minutes of feeding and changing, and otherwise their only stimulation is the ceiling, the walls or the bars of their cots.
Seit meinen ersten Besuch von Ceausescus Einrichtung habe ich hunderte solcher Orte in 18 Länder gesehen, von Tschechien bis zum Sudan. Quer durch diese unterschiedlichen Länder und Kulturen hinweg waren die Einrichtungen und die Reise der Kinder durch sie deprimierend ähnlich. Fehlende Stimulation führt oft zu selbststimulierendem Verhalten, wie Handflattern, Vor- und Zurückschaukeln oder Aggressionen, und in manchen Einrichtungen werden Psychopharmaka eingesetzt, um das Verhalten dieser Kinder zu kontrollieren, während in anderen die Kinder festgebunden werden, damit sie nicht sich selbst oder andere verletzen. Diese Kinder werden schnell als behindert abgestempelt und in eine Einrichtung für behinderte Kinder überwiesen. Die meisten dieser Kinder werden die Einrichtung nie mehr verlassen. Die ohne Behinderungen werden mit drei Jahren in eine andere Einrichtung verlegt und mit sieben wieder in eine andere. Getrennt nach Alter und Geschlecht werden sie willkürlich von ihren Geschwistern getrennt, oft ohne die Möglichkeit, sich zu verabschieden. Es gibt selten genug zu essen. Sie sind oft hungrig. Die älteren Kinder ärgern die kleinen. Sie lernen zu überleben. Sie lernen, sich selbst zu schützen oder sie gehen unter.
Since my first visit to Ceausescu's institution, I've seen hundreds of such places across 18 countries, from the Czech Republic to Sudan. Across all of these diverse lands and cultures, the institutions, and the child's journey through them, is depressingly similar. Lack of stimulation often leads to self-stimulating behaviors like hand-flapping, rocking back and forth, or aggression, and in some institutions, psychiatric drugs are used to control the behavior of these children, whilst in others, children are tied up to prevent them from harming themselves or others. These children are quickly labeled as having disabilities and transferred to another institution for children with disabilities. Most of these children will never leave the institution again. For those without disabilities, at age three, they're transferred to another institution, and at age seven, to yet another. Segregated according to age and gender, they are arbitrarily separated from their siblings, often without even a chance to say goodbye. There's rarely enough to eat. They are often hungry. The older children bully the little ones. They learn to survive. They learn to defend themselves, or they go under.
Wenn sie die Einrichtung verlassen, tun sie sich wirklich schwer, klar zu kommen und sich in die Gesellschaft zu integrieren. In Moldawien werden junge Frauen, die in Einrichtungen aufwachsen, zehnmal häufiger Opfer von Frauenhandel als gleichaltrige, und russische Studien zeigen, dass zwei Jahre nach dem Verlassen der Einrichtungen 20 Prozent der jungen Erwachsenen Vorstrafen haben, 14 Prozent mit Prostitution zu tun hatten und 10 Prozent sich das Leben genommen hatten.
When they leave the institution, they find it really difficult to cope and to integrate into society. In Moldova, young women raised in institutions are 10 times more likely to be trafficked than their peers, and a Russian study found that two years after leaving institutions, young adults, 20 percent of them had a criminal record, 14 percent were involved in prostitution, and 10 percent had taken their own lives.
Aber warum gibt es so viele Waisen in Europa, obwohl es in den letzten Jahren wenig Kriege oder Katastrophen gegeben hat? Tatsächlich haben mehr als 95 Prozent dieser Kinder lebende Eltern und Gesellschaften neigen dazu, den Eltern die Schuld zu geben, weil sie ihre Kinder verlassen haben, aber Untersuchungen zeigen, dass die meisten Eltern ihre Kinder wollen und dass die eigentlichen Treiber hinter der Heimeinweisung Armut, Behinderung und ethnische Zugehörigkeit sind. Viele Länder haben keine inklusiven Schulen, daher werden sogar Kinder mit leichten Behinderungen in Sonderschulinternaten untergebracht, im Alter von sechs oder sieben. Die Einrichtung kann hunderte von Kilometern von zu Hause weg sein. Wenn die Familie arm ist, sind Besuche schwierig und allmählich geht die Beziehung kaputt. Hinter jedem der Millionen Heimkinder steht die Geschichte von Eltern, die verzweifelt sind und das Gefühl haben, keine Wahl zu haben, wie Natalia in Moldawien, sie hatte gerade genug Geld, um ihr Baby zu ernähren, daher musste sie ihren älteren Sohn in ein Heim schicken. Oder Desi aus Bulgarien, die sich zu Hause um ihre vier Kinder kümmerte, bis ihr Ehemann starb. Dann musste sie Vollzeit arbeiten gehen und ohne Unterstützung hatte sie keine Wahl, als ihr behindertes Kind in einem Heim unterzubringen. Oder zahllose junge Mädchen, die aus Angst ihren Eltern nicht erzählen, dass sie schwanger sind und ihre Babys im Krankenhaus zurücklassen. Oder junge Eltern; ein junges Paar, das gerade feststellt, dass ihre Erstgeborene behindert ist, aber statt ihnen eine positive Botschaft über das Potential des Kinds mitzugeben, sagen ihnen die Ärzte: "Vergessen Sie sie, lassen Sie sie im Heim, gehen Sie nach Hause und machen Sie ein gesundes."
But why are there so many orphans in Europe when there hasn't been a great deal of war or disaster in recent years? In fact, more than 95 percent of these children have living parents, and societies tend to blame these parents for abandoning these children, but research shows that most parents want their children, and that the primary drivers behind institutionalization are poverty, disability and ethnicity. Many countries have not developed inclusive schools, and so even children with a very mild disability are sent away to a residential special school, at age six or seven. The institution may be hundreds of miles away from the family home. If the family's poor, they find it difficult to visit, and gradually the relationship breaks down. Behind each of the million children in institutions, there is usually a story of parents who are desperate and feel they've run out of options, like Natalia in Moldova, who only had enough money to feed her baby, and so had to send her older son to the institution; or Desi, in Bulgaria, who looked after her four children at home until her husband died, but then she had to go out to work full time, and with no support, felt she had no option but to place a child with disabilities in an institution; or the countless young girls too terrified to tell their parents they're pregnant, who leave their babies in a hospital; or the new parents, the young couple who have just found out that their firstborn child has a disability, and instead of being provided with positive messages about their child's potential, are told by the doctors, "Forget her, leave her in the institution, go home and make a healthy one."
Dieser Zustand ist weder notwendig noch unvermeidbar. Jedes Kind hat das Recht auf Familie, es verdient und braucht eine Familie. Kinder sind unglaublich belastbar. Wenn sie aus diesen Einrichtungen heraus genommen und frühzeitig in liebevolle Familien untergebracht werden, holen sie ihre Entwicklungsverzögerungen wieder auf und führen normale, glückliche Leben. Es ist auch viel kostengünstiger, Familien Unterstützung zu bieten, statt Einrichtungen bereitzustellen. Eine Studie zeigt, dass Familienzentren 10 Prozent einer Heimunterbringung kosten, während Pflegeunterbringung ungefähr 30 Prozent kostet. Wenn wir weniger für diese Kinder ausgeben, aber mehr für die richtigen Leistungen, können wir das Gesparte nutzen und in hohe Qualität von Heimbetreuung für die wenigen Kinder mit besonders komplexen Bedürfnissen investieren.
This state of affairs is neither necessary nor is it inevitable. Every child has the right to a family, deserves and needs a family, and children are amazingly resilient. We find that if we get them out of institutions and into loving families early on, they recover their developmental delays, and go on to lead normal, happy lives. It's also much cheaper to provide support to families than it is to provide institutions. One study suggests that a family support service costs 10 percent of an institutional placement, whilst good quality foster care costs usually about 30 percent. If we spend less on these children but on the right services, we can take the savings and reinvest them in high quality residential care for those few children with extremely complex needs.
In ganz Europa wächst eine Bewegung, die den Fokus verlagert und die Mittel von großen Einrichtungen, die schlechte Pflegequalität bieten, zu gemeindenahen Versorgungsdiensten transferiert, die Kinder schützen und ihnen ermöglichen, ihr volles Potential zu entwickeln. Als ich zum ersten Mal in Rumänien arbeitete, vor fast 20 Jahren, lebten 200.000 Kinder in Heimen und jeden Tag kamen neue dazu. Jetzt sind es weniger als 10.000 und im ganzen Land gibt es Familienzentren. In Moldawien hat sich, trotz extremer Armut und der furchtbaren Folgen der weltweiten Finanzkrise, die Zahl der Kinder in Einrichtungen innerhalb der letzten fünf Jahre um mehr als 50 Prozent reduziert. Die Mittel werden auf Familienzentren und inklusive Schulen verteilt. Viele Länder haben nationale Aktionspläne entwickelt. Die Europäische Kommission und weitere wichtige Spender finden Wege, um Geld von Institutionen zu nehmen und in Familienunterstützung zu geben, damit Gemeinden in der Lage sind, sich selbst um die eigenen Kinder zu kümmern.
Across Europe, a movement is growing to shift the focus and transfer the resources from large institutions that provide poor quality care to community-based services that protect children from harm and allow them to develop to their full potential. When I first started to work in Romania nearly 20 years ago, there were 200,000 children living in institutions, and more entering every day. Now, there are less than 10,000, and family support services are provided across the country. In Moldova, despite extreme poverty and the terrible effects of the global financial crisis, the numbers of children in institutions has reduced by more than 50 percent in the last five years, and the resources are being redistributed to family support services and inclusive schools. Many countries have developed national action plans for change. The European Commission and other major donors are finding ways to divert money from institutions towards family support, empowering communities to look after their own children.
Aber es bleibt immer noch viel zu tun, um die systematische Unterbringung von Kindern in Heimen zu beenden. Bewusstseinsschaffung ist auf jeder Ebene der Gesellschaft nötig. Die Menschen müssen wissen, welchen Schaden Pflegeeinrichtungen Kindern zufügen können und dass es bessere Alternativen gibt. Wenn wir Menschen kennen, die Heime unterstützen wollen, sollten wir sie überzeugen, stattdessen Familienförderung zu unterstützen.
But there is still much to be done to end the systematic institutionalization of children. Awareness-raising is required at every level of society. People need to know the harm that institutions cause to children, and the better alternatives that exist. If we know people who are planning to support orphanages, we should convince them to support family services instead.
Gemeinsam können wir diese Form von Kindesmisshandlung zu unseren Lebzeiten abschaffen.
Together, this is the one form of child abuse that we could eradicate in our lifetime.
Danke. (Applaus)
Thank you. (Applause)
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