Dieses Treffen wurde also geplant unter dem Motto „Vom ,war‘ zum ,immer noch‘“. Und ich stehe hier für „immer noch“. Damit bin ich natürlich gar nicht einverstanden, denn obwohl ich 94 bin, arbeite ich nicht „immer noch“. Und wenn mich jemand fragt: „Tun Sie immer noch dieses oder jenes?“, dann antworte ich gar nicht, denn ich tue nicht immer noch etwas, ich tue es, wie ich es immer getan habe. Ich besitze immer noch – oh, habe ich „immer noch“ gesagt? Das wollte ich nicht.
So I understand that this meeting was planned, and the slogan was From Was to Still. And I am illustrating Still. Which, of course, I am not agreeing with because, although I am 94, I am not still working. And anybody who asks me, "Are you still doing this or that?" I don't answer because I'm not doing things still, I'm doing it like I always did. I still have -- or did I use the word still? I didn't mean that.
(Gelächter)
(Laughter)
Ich habe meinen Ordner, der sich To-Do nennt. Ich habe meine Pläne. Ich habe meine Kunden. Ich mache meine Arbeit, wie ich es immer getan habe. Das hält mich jung. Ich möchte Ihnen meine Arbeit zeigen, damit Sie wissen, was ich tue und warum ich hier bin. Das war etwa 1925. All diese Arbeiten entstanden in den letzten 75 Jahren.
I have my file which is called To Do. I have my plans. I have my clients. I am doing my work like I always did. So this takes care of my age. I want to show you my work so you know what I am doing and why I am here. This was about 1925. All of these things were made during the last 75 years.
(Gelächter)
(Laughter)
(Applaus)
(Applause)
Aber natürlich, ich arbeite seit 1925 und stelle mehr oder weniger das her, was Sie hier sehen. Das ist Castleton. Das war eine Ausstellung im Museum of Modern Art. Das steht jetzt im Metropolitan Museum zum Verkauf. Das steht immer noch im Metropolitan Museum, inzwischen zu verkaufen. Dies ist ein Portrait von meiner Tochter und mir.
But, of course, I'm working since 25, doing more or less what you see here. This is Castleton China. This was an exhibition at the Museum of Modern Art. This is now for sale at the Metropolitan Museum. This is still at the Metropolitan Museum now for sale. This is a portrait of my daughter and myself.
(Applaus)
(Applause)
Das waren nur einige der Dinge, die ich hergestellt habe. Ich habe Hunderte davon in den letzten 75 Jahren gemacht. Ich bezeichne mich als Dinge-Macherin. Ich bezeichne mich nicht Industriedesignerin, weil ich andere Dinge bin. Industriedesigner wollen Neuartiges herstellen. Neuartigkeit ist ein kommerzielles Konzept, kein ästhetisches. Die Zeitschrift für Industriedesign heißt, glaube ich, „Innovation“. Innovation gehört nicht zu den Zielen meiner Arbeit. Dinge-Macher: Sie machen Dinge schöner, eleganter, bequemer als die normalen Kunsthandwerker. Ich habe so viel zu sagen. Ich muss erst nachdenken, was ich sagen will. Also, um unseren Beruf mit anderen Worten zu beschreiben: Wir beschäftigen uns eigentlich mit der spielerischen Suche nach Schönheit. Die spielerische Suche nach Schönheit wurde als erste Tat des Menschen bezeichnet. Sarah Smith, eine Mathematikprofessorin am MIT, schrieb: „Die spielerische Suche nach der Schönheit war die erste Tat des Menschen“ und dass alle nützlichen Eigenschaften und Materialeigenschaften aus der spielerischen Suche nach Schönheit entstanden. Das sind Fliesen. Das Wort „spielerisch“ ist ein notwendiger Aspekt unserer Arbeit, denn eins unserer Probleme besteht eigentlich darin, dass wir unser Leben lang hübsche Dinge herstellen müssen, und für mich geht das jetzt seit 75 Jahren so.
These were just some of the things I've made. I made hundreds of them for the last 75 years. I call myself a maker of things. I don't call myself an industrial designer because I'm other things. Industrial designers want to make novel things. Novelty is a concept of commerce, not an aesthetic concept. The industrial design magazine, I believe, is called "Innovation." Innovation is not part of the aim of my work. Well, makers of things: they make things more beautiful, more elegant, more comfortable than just the craftsmen do. I have so much to say. I have to think what I am going to say. Well, to describe our profession otherwise, we are actually concerned with the playful search for beauty. That means the playful search for beauty was called the first activity of Man. Sarah Smith, who was a mathematics professor at MIT, wrote, "The playful search for beauty was Man's first activity -- that all useful qualities and all material qualities were developed from the playful search for beauty." These are tiles. The word, "playful" is a necessary aspect of our work because, actually, one of our problems is that we have to make, produce, lovely things throughout all of life, and this for me is now 75 years.
Wie kann man also, ohne die Inspiration zu verlieren, so lange Dinge mit demselben Vergnügen als Geschenk für andere herstellen? Das Spielerische ist daher ein wichtiger Teil unserer Qualität als Designer. Ich will Ihnen etwas aus meinem Leben erzählen. Wie ich schon sagte, habe ich vor 75 Jahren mit all dem angefangen. Meine erste Ausstellung in den USA hatte ich auf der 150-Jahr-Feier 1926 – da schickte die ungarische Regierung eins meiner handgezeichneten Stücke als Teil der Ausstellung hin. Meine Arbeit führte mich in viele Länder und zeigte mir einen großen Teil der Welt. Das heißt, ich wurde nicht geführt – die Arbeit führte mich nicht hin – ich stellte die Objekte gerade deswegen her, weil ich damit die Welt sehen wollte. Ich war unglaublich neugierig auf die Welt und ich stellte all diese Objekte her, mit deren Hilfe ich schließlich tatsächlich viele Länder und Kulturen zu sehen bekam. Ich begann als Lehrling bei einem ungarischen Kunsthandwerker, und da lernte ich viel über das Gildensystem des Mittelalters.
So how can you, without drying up, make things with the same pleasure, as a gift to others, for so long? The playful is therefore an important part of our quality as designer. Let me tell you some about my life. As I said, I started to do these things 75 years ago. My first exhibition in the United States was at the Sesquicentennial exhibition in 1926 -- that the Hungarian government sent one of my hand-drawn pieces as part of the exhibit. My work actually took me through many countries, and showed me a great part of the world. This is not that they took me -- the work didn't take me -- I made the things particularly because I wanted to use them to see the world. I was incredibly curious to see the world, and I made all these things, which then finally did take me to see many countries and many cultures. I started as an apprentice to a Hungarian craftsman, and this taught me what the guild system was in Middle Ages.
Gildensystem bedeutet: Als Lehrling musste ich in die Lehre gehen, um Keramikmeisterin zu werden. In meinem Atelier, in dem ich lernte, gab es eine traditionelle Hierarchie: Meister, Geselle und angelernter Arbeiter, Lehrling, und ich war der Lehrling. Die Arbeit als Lehrling war sehr primitiv. Das heißt, ich musste wirklich alles lernen, was mit der Herstellung von Keramik mit der Hand zu tun hatte. Wir stampften den Ton mit den Füßen, wenn er frisch vom Hang hereinkam. Danach musste er geknetet werden. Dann kam er in eine Art Mangel. Und schließlich wurde er für die Drehscheibe vorbereitet. Dort habe ich wirklich als Lehrling gearbeitet. Mein Meister nahm mich mit zum Ofenbauen, denn der Ofenbau gehörte damals dazu. Und schließlich bekam ich eine Urkunde darüber, dass ich meine Lehrzeit erfolgreich beendet hatte, dass ich mich moralisch verhalten hätte, und diese Urkunde überreichte mir die Gilde der Dachdecker, Gleisleger, Ofenbauer, Kaminkehrer und Töpfer.
The guild system: that means when I was an apprentice, I had to apprentice myself in order to become a pottery master. In my shop where I studied, or learned, there was a traditional hierarchy of master, journeyman and learned worker, and apprentice, and I worked as the apprentice. The work as an apprentice was very primitive. That means I had to actually learn every aspect of making pottery by hand. We mashed the clay with our feet when it came from the hillside. After that, it had to be kneaded. It had to then go in, kind of, a mangle. And then finally it was prepared for the throwing. And there I really worked as an apprentice. My master took me to set ovens because this was part of oven-making, oven-setting, in the time. And finally, I had received a document that I had accomplished my apprenticeship successfully, that I had behaved morally, and this document was given to me by the Guild of Roof-Coverers, Rail-Diggers, Oven-Setters, Chimney Sweeps and Potters.
(Gelächter)
(Laughter)
Damals bekam ich auch ein Arbeitsheft, in dem meine Rechte und meine Arbeitsbedingungen standen, das habe ich heute noch. Zuerst richtete ich mir eine Werkstatt in meinem Garten ein und stellte dort Keramik her, die ich auf dem Markt in Budapest verkaufte. Und da saß ich und mein damaliger Freund – wobei er nicht mein Freund in dem Sinne war, wie man das heute versteht – also mein Freund und ich saßen auf dem Markt und verkauften die Töpfe. Meine Mutter fand, das gehörte sich nicht, also saß sie bei uns, als Anstandsdame sozusagen.
I also got at the time a workbook which explained my rights and my working conditions, and I still have that workbook. First I set up a shop in my own garden, and made pottery which I sold on the marketplace in Budapest. And there I was sitting, and my then-boyfriend -- I didn't mean it was a boyfriend like it is meant today -- but my boyfriend and I sat at the market and sold the pots. My mother thought that this was not very proper, so she sat with us to add propriety to this activity.
(Gelächter)
(Laughter)
Aber nach einer Weile wurde eine neue Fabrik in Budapest gebaut, eine Keramikfabrik, eine große. Ich besuchte sie mit einigen Frauen und stellte dem Direktor alle möglichen Fragen. Dann fragte mich der Direktor: „Warum stellen Sie all diese Fragen?“ Ich sagte: „Ich habe auch eine Töpferei.“ Da fragte er, ob er mich mal besuchen dürfte, und das tat er schließlich auch und erklärte mir, dass das, was ich in meiner Werkstatt tat, ein Anachronismus sei, dass die industrielle Revolution ausgebrochen sei und dass ich lieber bei ihm in der Fabrik arbeiten solle. Dort richtete er eine Kunstabteilung für mich ein, wo ich einige Monate arbeitete. Aber jeder Mitarbeiter der Fabrik verbrachte einige Zeit in der Kunstabteilung. Der Direktor sagte, dort würden mehrere Frauen meine Entwürfe in Formen gießen und brennen, und dann wurden sie bis nach Amerika verkauft.
However, after a while there was a new factory being built in Budapest, a pottery factory, a large one. And I visited it with several ladies, and asked all sorts of questions of the director. Then the director asked me, why do you ask all these questions? I said, I also have a pottery. So he asked me, could he please visit me, and then finally he did, and explained to me that what I did now in my shop was an anachronism, that the industrial revolution had broken out, and that I rather should join the factory. There he made an art department for me where I worked for several months. However, everybody in the factory spent his time at the art department. The director there said there were several women casting and producing my designs now in molds, and this was sold also to America.
Ich erinnere mich, dass das ein ziemlicher Erfolg war. Aber der Direktor, der Chemiker, der Modellbauer – jeder – kümmerte sich viel mehr um die Kunstabteilung – also um meine Arbeit – als darum, Toiletten herzustellen, also kam schließlich ein Brief von der Zentrale, von der Bank, der die Fabrik gehörte, in dem stand, dass sie die Toilettenherstellung hinter die Kunstabteilung setzen sollten, und das war mein Ende. Das eröffnete mir neue Möglichkeiten, denn nun war ich Gesellin, und ein Geselle konnte sein Bündel schnüren und in die Welt hinausziehen. Ich setzte also eine Anzeige in die Zeitung, dass ich eine Ausbildung hatte, dass ich eine Töpfer-Gesellin mit praktischen Fähigkeiten war und Arbeit suchte. Ich bekam mehrere Angebote und nahm das an, das am weitesten von zu Hause entfernt war, in meiner Vorstellung schon halb in Amerika.
I remember that it was quite successful. However, the director, the chemist, model maker -- everybody -- concerned himself much more with the art department -- that means, with my work -- than making toilets, so finally they got a letter from the center, from the bank who owned the factory, saying, make toilet-setting behind the art department, and that was my end. So this gave me the possibility because now I was a journeyman, and journeymen also take their satchel and go to see the world. So as a journeyman, I put an ad into the paper that I had studied, that I was a down-to-earth potter's journeyman and I was looking for a job as a journeyman. And I got several answers, and I accepted the one which was farthest from home and practically, I thought, halfway to America.
Und zwar in Hamburg. Ich trat also meine erste Arbeitsstelle in Hamburg in einer Kunsttöpferei an, wo man nur auf der Scheibe töpferte, und ich arbeitete in einem Atelier mit mehreren Töpfern. Am ersten Tag setzte ich mich hinter meine Töpferscheibe – es gab drei oder vier – und einer der anderen Töpfer, hinter dem ich saß, hatte einen Buckel, war taubstumm und roch sehr schlecht. Also übergoss ich ihn jeden Tag mit Kölnischwasser, was er sehr nett fand, und er brachte mir dafür jeden Tag Brot und Butter mit, das ich aus Höflichkeit essen musste. Am ersten Tag, als ich in diesem Atelier zur Arbeit antrat, wartete auf der Scheibe eine Überraschung auf mich. Meine Kollegen hatten netterweise auf die Scheibe, an der ich arbeiten sollte, eine sehr hübsch gearbeitete Skulptur männlicher Organe gestellt. (Gelächter) Nachdem ich sie mit einer Handbewegung beiseite gewischt hatte, waren sie sehr – da wurde ich akzeptiert und ich arbeitete dort etwa sechs Monate lang. Das war meine erste Arbeitsstelle. Wenn ich in dem Tempo weitermache, sitzen wir um Mitternacht noch hier.
And that was in Hamburg. Then I first took this job in Hamburg, at an art pottery where everything was done on the wheel, and so I worked in a shop where there were several potters. And the first day, I was coming to take my place at the turntable -- there were three or four turntables -- and one of them, behind where I was sitting, was a hunchback, a deaf-mute hunchback, who smelled very bad. So I doused him in cologne every day, which he thought was very nice, and therefore he brought bread and butter every day, which I had to eat out of courtesy. The first day I came to work in this shop there was on my wheel a surprise for me. My colleagues had thoughtfully put on the wheel where I was supposed to work a very nicely modeled natural man's organs. (Laughter) After I brushed them off with a hand motion, they were very -- I finally was now accepted, and worked there for some six months. This was my first job. If I go on like this, you will be here till midnight.
(Gelächter)
(Laughter)
(Applaus)
(Applause)
Ich schalte mal einen Gang hoch.
So I will try speed it up a little
(Gelächter)
(Laughter)
- Eva, wir haben noch etwa fünf Minuten.
Moderator: Eva, we have about five minutes.
(Gelächter)
(Laughter)
Sind Sie sicher?
Eva Zeisel: Are you sure?
- Ja, ganz sicher.
Moderator: Yes, I am sure.
Tja, wenn Sie ganz sicher sind, muss ich den Rest in fünf Minuten erzählen. Ich werde sehr schnell reden. Also, meine Arbeit führte mich in viele Länder, weil ich sie nutzte, um meine Neugier zu stillen. Unter anderem habe ich auch in der Sowjetunion gearbeitet, das war von '32 bis '37 – nein, eigentlich bis '36. Ich war dort, obwohl ich nichts zu tun hatte – ich war eine ausländische Expertin. Ich wurde künstlerische Leiterin der Porzellan- und Glasbranche, und schließlich, unter Stalins Säuberungsaktionen – als die begannen, wusste ich nicht, dass Tausende unschuldiger Menschen verhaftet wurden. Ich wurde ziemlich früh bei diesen Säuberungsaktionen verhaftet und verbrachte 16 Monate in einem russischen Gefängnis. Die Anklage lautete, ich hätte mit Erfolg ein Attentat auf Stalins Leben vorbereitet. Das war eine sehr gefährliche Anschuldigung. Und wenn das das Ende meiner fünf Minuten ist, möchte ich Ihnen noch sagen, dass ich überraschenderweise tatsächlich überlebte. Aber da ich überlebte und hier bin, und da die fünf Minuten jetzt zu Ende sind, werde ich –
EZ: Well, if you are sure, I have to tell you that within five minutes I will talk very fast. And actually, my work took me to many countries because I used my work to fill my curiosity. And among other things, other countries I worked, was in the Soviet Union, where I worked from '32 to '37 -- actually, to '36. I was finally there, although I had nothing to do -- I was a foreign expert. I became art director of the china and glass industry, and eventually under Stalin's purges -- at the beginning of Stalin's purges, I didn't know that hundreds of thousands of innocent people were arrested. So I was arrested quite early in Stalin's purges, and spent 16 months in a Russian prison. The accusation was that I had successfully prepared an Attentat on Stalin's life. This was a very dangerous accusation. And if this is the end of my five minutes, I want to tell you that I actually did survive, which was a surprise. But since I survived and I'm here, and since this is the end of the five minutes, I will --
- Sagen Sie, wann waren Sie das letzte Mal in Russland? - War das nicht vor kurzem erst?
Moderator: Tell me when your last trip to Russia was. Weren't you there recently?
Oh ja, dieses Jahr im Sommer wurde die Lomonossow-Manufaktur von einer amerikanischen Firma gekauft und die luden mich ein. Sie fanden heraus, dass ich '33 in dieser Manufaktur gearbeitet hatte, und sie kamen in mein Atelier in Rockland County und brachten 15 ihrer Künstler mit. Und dann luden sie mich ein, im Sommer die Manufaktur in Russland zu besuchen, im Juli, um ein paar Teller zu machen, also zu entwerfen. Und da ich nicht gern allein reise, luden sie auch meine Tochter, meinen Schwiegersohn und meine Enkelin ein. Es war eine herrliche Reise in das moderne Russland, das nicht immer schön und fröhlich anzusehen ist. Und hier sitze ich nun, ist die Zeit um? Vielen Dank.
EZ: Oh, this summer, in fact, the Lomonosov factory was bought by an American company, invited me. They found out that I had worked in '33 at this factory, and they came to my studio in Rockland County, and brought the 15 of their artists to visit me here. And they invited myself to come to the Russian factory last summer, in July, to make some dishes, design some dishes. And since I don't like to travel alone, they also invited my daughter, son-in-law and granddaughter, so we had a lovely trip to see Russia today, which is not a very pleasant and happy view. Here I am now, if this is the end? Thank you.
(Applaus)
(Applause)