[Dieser Vortrag enthält Beschreibungen sexueller Gewalt; Ansehen auf eigene Verantwortung]
[This talk contains graphic language and descriptions of sexual violence Viewer discretion is advised]
Tom Stranger: 1996, mit 18 Jahren, erhielt ich die einmalige Gelegenheit, an einem internationalen Austauschprogramm teilzunehmen. Ironischerweise bin ich ein Australier, der kaltes Wetter bevorzugt, also war ich aufgeregt, aber auch traurig, als ich ins Flugzeug nach Island stieg, nachdem ich mich von meinen Eltern und Brüdern verabschiedet hatte. Ich wurde in einer tollen isländischen Familie aufgenommen, die mit mir wandern ging und mir half, die melodische, isländische Sprache zu lernen. Ich hatte zu Beginn etwas mit Heimweh zu kämpfen. Ich ging nach der Schule snowboarden und ich schlief sehr viel. Zwei Stunden Chemieunterricht in einer fremden Sprache können sehr einschläfernd wirken.
Tom Stranger: In 1996, when I was 18 years old, I had the golden opportunity to go on an international exchange program. Ironically I'm an Australian who prefers proper icy cold weather, so I was both excited and tearful when I got on a plane to Iceland, after just having farewelled my parents and brothers goodbye. I was welcomed into the home of a beautiful Icelandic family who took me hiking, and helped me get a grasp of the melodic Icelandic language. I struggled a bit with the initial period of homesickness. I snowboarded after school, and I slept a lot. Two hours of chemistry class in a language that you don't yet fully understand can be a pretty good sedative.
(Gelächter)
(Laughter)
Mein Lehrer empfahl mir, für das Schultheater vorzusprechen, um mehr soziale Kontakte zu knüpfen. Ich bekam zwar keine Rolle in dem Theaterstück, aber ich lernte dadurch Thordis kennen. Eine jugendliche Romanze begann und wir trafen uns mittags, um Händchen zu halten und durch Reykjaviks Altstadt zu spazieren. Ich lernte ihre gastfreundliche Familie und sie meine Freunde kennen. Unsere Beziehung ging seit etwas mehr als einem Monat, als der Weihnachstball der Schule stattfand.
My teacher recommended I try out for the school play, just to get me a bit more socially active. It turns out I didn't end up being part of the play, but through it I met Thordis. We shared a lovely teenage romance, and we'd meet at lunchtimes to just hold hands and walk around old downtown Reykjavík. I met her welcoming family, and she met my friends. We'd been in a budding relationship for a bit over a month when our school's Christmas Ball was held.
Thordis Elva: Ich war 16 Jahre alt und das erste Mal verliebt. Zusammen zum Weihnachtsball zu gehen, war die öffentliche Bestätigung unserer Beziehung, und ich fühlte mich wie das glücklichste Mädchen der Welt. Nicht mehr wie ein Kind, sondern wie eine junge Frau. Aufgrund meiner gerade entdeckten Reife dachte ich, es wäre nur natürlich in dieser Nacht erstmals Rum zu probieren. Das war eine schlechte Idee. Mir wurde sehr übel, ich verlor immer wieder das Bewusstsein und musste mich mehrmals übergeben. Der Sicherheitsdienst wollte die Rettung rufen, aber Tom wurde zu meinem Ritter in schimmernder Rüstung. Er sagte, er würde mich nach Hause bringen.
Thordis Elva: I was 16 and in love for the first time. Going together to the Christmas dance was a public confirmation of our relationship, and I felt like the luckiest girl in the world. No longer a child, but a young woman. High on my newfound maturity, I felt it was only natural to try drinking rum for the first time that night, too. That was a bad idea. I became very ill, drifting in and out of consciousness in between spasms of convulsive vomiting. The security guards wanted to call me an ambulance, but Tom acted as my knight in shining armor, and told them he'd take me home.
Es war wie im Märchen. Mit seinen starken Armen um mich legte er mich sicher in mein Bett. Aber die Dankbarkeit, die ich fühlte, verwandelte sich schnell in Schrecken, als er begann, mich auszuziehen und sich auf mich setzte. Mein Kopf war wieder klar, aber mein Körper war noch zu schwach, um sich zu wehren. Der Schmerz war unbeschreiblich. Ich hatte das Gefühl, zerrissen zu werden. Um nicht verrückt zu werden, zählte ich still die Sekunden meines Weckers. Seit jener Nacht weiß ich, dass zwei Stunden 7.200 Sekunden enthalten.
It was like a fairy tale, his strong arms around me, laying me in the safety of my bed. But the gratitude that I felt towards him soon turned to horror as he proceeded to take off my clothes and get on top of me. My head had cleared up, but my body was still too weak to fight back, and the pain was blinding. I thought I'd be severed in two. In order to stay sane, I silently counted the seconds on my alarm clock. And ever since that night, I've known that there are 7,200 seconds in two hours.
Obwohl ich tagelang humpelte und wochenlang weinte, passte dieser Vorfall nicht zu meiner Vorstellung von Vergewaltigung, wie ich sie aus Filmen kannte. Tom war kein bewaffneter Verrückter. Er war mein Freund. Und es geschah nicht in einer schmutzigen Gasse, sondern in meinem eigenen Bett. Als ich das, was mir passiert war, als Vergewaltigung identifizierte, war sein Austauschprogramm bereits vorbei und er war wieder in Australien. Also sagte ich mir, es wäre sinnlos das Geschehene anzusprechen. Außerdem war es bestimmt irgendwie meine Schuld.
Despite limping for days and crying for weeks, this incident didn't fit my ideas about rape like I'd seen on TV. Tom wasn't an armed lunatic; he was my boyfriend. And it didn't happen in a seedy alleyway, it happened in my own bed. By the time I could identify what had happened to me as rape, he had completed his exchange program and left for Australia. So I told myself it was pointless to address what had happened. And besides, it had to have been my fault, somehow.
Ich wuchs in dem Glauben auf, dass Mädchen nicht grundlos vergewaltigt werden. Der Rock war zu kurz, das Lächeln war zu breit, der Atem roch nach Alkohol. Und ich war in allen Punkten schuldig, also war ich selbst daran Schuld. Erst Jahre später erkannte ich, dass nur eins meine Vergewaltigung hätte verhindern können, und das war nicht mein Rock oder mein Lächeln oder mein kindliches Vertrauen. Der einzige, der meine Vergewaltigung hätte verhindern können, ist der Mann, der mich vergewaltigte -- wenn er sich selbst daran gehindert hätte.
I was raised in a world where girls are taught that they get raped for a reason. Their skirt was too short, their smile was too wide, their breath smelled of alcohol. And I was guilty of all of those things, so the shame had to be mine. It took me years to realize that only one thing could have stopped me from being raped that night, and it wasn't my skirt, it wasn't my smile, it wasn't my childish trust. The only thing that could've stopped me from being raped that night is the man who raped me -- had he stopped himself.
TS: Ich habe nur vage Erinnerungen vom nächsten Tag: die Nachwirkungen des Alkohols, eine gewisse Leere, die ich zu unterdrücken versuchte. Sonst nichts. Aber ich ging nicht zu Thordis. Ich muss klarstellen, dass ich meine Tat nicht als das sah, was sie war. Das Wort "Vergewaltigung" erklang nicht in meinem Kopf, so wie es sollte. Ich quälte mich nicht mit Gedanken an die letzte Nacht. Es war keine bewusste Ablehnung, sondern das Gefühl, dass es verboten wäre, mir die Realität einzugestehen. Das gewaltige Trauma, das ich verursacht hatte, kam In meiner Beschreibung der Ereignisse nicht vor. Ehrlich gesagt, verleugnete ich die gesamte Tat in den nachfolgenden Tagen. Ebenso wie zu dem Zeitpunkt als ich sie beging. Ich verfälschte die Wahrheit, indem ich mir einredete, es wäre Sex und keine Vergewaltigung. Diese Lüge führte zu entsetzlichen Schuldgefühlen.
TS: I have vague memories of the next day: the after effects of drinking, a certain hollowness that I tried to stifle. Nothing more. But I didn't show up at Thordis's door. It is important to now state that I didn't see my deed for what it was. The word "rape" didn't echo around my mind as it should've, and I wasn't crucifying myself with memories of the night before. It wasn't so much a conscious refusal, it was more like any acknowledgment of reality was forbidden. My definition of my actions completely refuted any recognition of the immense trauma I caused Thordis. To be honest, I repudiated the entire act in the days afterwards and when I was committing it. I disavowed the truth by convincing myself it was sex and not rape. And this is a lie I've felt spine-bending guilt for.
Ich machte kurz darauf mit Thordis Schluss. Ich sah sie noch mehrmals während meiner restlichen Zeit in Island. Dabei verspürte ich jedes Mal ein bedrückendes Gefühl. Tief in mir wusste ich, dass ich etwas unsagbar Falsches getan hatte. Ohne es zu planen, vergrub ich die Erinnerungen tief in mir und ließ sie nicht mehr hochkommen.
I broke up with Thordis a couple of days later, and then saw her a number of times during the remainder of my year in Iceland, feeling a sharp stab of heavyheartedness each time. Deep down, I knew I'd done something immeasurably wrong. But without planning it, I sunk the memories deep, and then I tied a rock to them.
Es folgte eine neunjährige Phase bestehend aus "Leugnen und Weglaufen" Wann immer mir bewusst zu werden schien, welchen Schmerz ich verursacht hatte, lief ich davor weg. Entweder durch Ablenkung, Drogenmissbrauch, Abenteuerlust oder die akribische Überwachung meiner inneren Stimme. Ich weigerte mich, statisch und lautlos zu sein.
What followed is a nine-year period that can best be titled as "Denial and Running." When I got a chance to identify the real torment that I caused, I didn't stand still long enough to do so. Whether it be via distraction, substance use, thrill-seeking or the scrupulous policing of my inner speak, I refused to be static and silent.
Außerdem stützte Ich mich besonders auf andere Teile meines Lebens, um ein neues Selbstbild zu erschaffen. Ich war Surfer, Student der Sozialwissenschaften, Freund guter Menschen, geliebter Bruder und Sohn, Tourguide für Freizeitaktivitäten und schließlich Jugendsozialarbeiter. Ich klammerte mich an die Vorstellung, kein schlechter Mensch zu sein. Ich dachte nicht, ich hätte das in mir. Ich dachte, ich sei aus einem anderen Holz geschnitzt. Ich wuchs behütet auf, meine liebevolle Familie und meine Vorbilder, alle Menschen, die mir nahe stehen, waren herzlich und aufrichtig gegenüber Frauen. Es dauerte lange bis ich es schaffte, mich meiner dunklen Seite zu stellen und Fragen an sie zu richten.
And with this noise, I also drew heavily upon other parts of my life to construct a picture of who I was. I was a surfer, a social science student, a friend to good people, a loved brother and son, an outdoor recreation guide, and eventually, a youth worker. I gripped tight to the simple notion that I wasn't a bad person. I didn't think I had this in my bones. I thought I was made up of something else. In my nurtured upbringing, my loving extended family and role models, people close to me were warm and genuine in their respect shown towards women. It took me a long time to stare down this dark corner of myself, and to ask it questions.
TE: Neun Jahre nach dem Weihnachtsball, als ich 25 Jahre alt war, steuerte ich direkt auf einen Nervenzusammenbruch zu. Mein Selbstwertgefühl war unter einer zermürbenden Stille begraben, die mich von allen Menschen, die mir etwas bedeuteten, isolierte. Ich war erfüllt von fehlgeleiteten Hass- und Wutgefühlen, die ich an mir selbst ausließ.
TE: Nine years after the Christmas dance, I was 25 years old, and headed straight for a nervous breakdown. My self-worth was buried under a soul-crushing load of silence that isolated me from everyone that I cared about, and I was consumed with misplaced hatred and anger that I took out on myself.
Einmal lief ich nach einem Streit weinend aus dem Haus und in ein Café. Dort bat ich die Kellnerin um einen Stift. Ich hatte immer ein Notizbuch bei mir. Ich behauptete, es sei für Ideen in inspirierenden Momenten, aber in Wahrheit brauchte ich es, um stets mit etwas herumspielen zu können. Denn in Momenten des Stillstands begann ich wieder die Sekunden zu zählen. Aber an jenem Tag bestaunte ich die Worte, die mein Stift zu Papier brachte und die den bedeutendsten Brief meines Lebens schufen, adressiert an Tom. Neben einer Beschreibung der Gewalt, der er mich aussetzte, starrten mich die Worte "Ich will Vergebung finden" an. Das überraschte niemanden mehr als mich. Aber tief in mir spürte ich, dass das der Weg aus meinem Leid wäre. Denn egal, ob er meine Vergebung verdiente, hatte ich Frieden verdient. Meine Phase der Scham war vorüber. Bevor ich den Brief abschickte, bereitete ich mich auf mögliche, negative Antworten vor, bzw. auf die wahrscheinlichste Antwort: nämlich überhaupt keine Rückmeldung. Auf die Antwort, die ich bekam, war ich jedoch nicht vorbereitet. Ich erhielt ein getipptes Geständnis voll bitterem Bedauern von Tom. Es stellte sich heraus, dass auch er sich von der Stille gefangen fühlte. So begann eine achtjährige Korrespondenz, die nie einfach, aber immer ehrlich war. Ich befreite mich von der Last, die zu Unrecht auf meinen Schultern lag. Im Gegenzug gestand er ein, was er getan hatte. Unser schriftlicher Austausch wurde zu einem Podium, um die Folgen dieser Nacht zu analysieren. Das reichte von extrem qualvoll bis hin zu unbeschreiblich heilend.
One day, I stormed out of the door in tears after a fight with a loved one, and I wandered into a café, where I asked the waitress for a pen. I always had a notebook with me, claiming that it was to jot down ideas in moments of inspiration, but the truth was that I needed to be constantly fidgeting, because in moments of stillness, I found myself counting seconds again. But that day, I watched in wonder as the words streamed out of my pen, forming the most pivotal letter I've ever written, addressed to Tom. Along with an account of the violence that he subjected me to, the words, "I want to find forgiveness" stared back at me, surprising nobody more than myself. But deep down I realized that this was my way out of my suffering, because regardless of whether or not he deserved my forgiveness, I deserved peace. My era of shame was over. Before sending the letter, I prepared myself for all kinds of negative responses, or what I found likeliest: no response whatsoever. The only outcome that I didn't prepare myself for was the one that I then got -- a typed confession from Tom, full of disarming regret. As it turns out, he, too, had been imprisoned by silence. And this marked the start of an eight-year-long correspondence that God knows was never easy, but always honest. I relieved myself of the burdens that I'd wrongfully shouldered, and he, in turn, wholeheartedly owned up to what he'd done. Our written exchanges became a platform to dissect the consequences of that night, and they were everything from gut-wrenching to healing beyond words.
Trotzdem konnte ich nicht damit abschließen. Vielleicht weil der Email-Verkehr zu unpersönlich war, oder weil es leicht ist mutig zu sein, wenn man sich hinter seinem Bildschirm am anderen Ende der Welt verstecken kann. Aber wir hatten einen Austausch begonnen, den ich zur Gänze ausschöpfen wollte. Nach der achtjährigen Korrespondenz und fast 16 Jahre nach jener Nacht, brachte ich also den Mut auf, einen ungewöhnlichen Vorschlag zu machen: Wir treffen uns persönlich und stellen uns endgültig unserer Vergangenheit.
And yet, it didn't bring about closure for me. Perhaps because the email format didn't feel personal enough, perhaps because it's easy to be brave when you're hiding behind a computer screen on the other side of the planet. But we'd begun a dialogue that I felt was necessary to explore to its fullest. So, after eight years of writing, and nearly 16 years after that dire night, I mustered the courage to propose a wild idea: that we'd meet up in person and face our past once and for all.
TS: Island und Australien sind geografisch etwa so. In der Mitte dazwischen liegt Südafrika. Wir entschieden uns für Kapstadt, um dort eine Woche gemeinsam zu verbringen. Die Stadt entpuppte sich als erstaunlich wirksam für Versöhnung und Vergebung. In keinem anderen Land wurden Heilung und Wiederannäherung auf eine so harte Probe gestellt wie in Südafrika. Südafrika versuchte sich als Nation getreu seiner Vergangenheit zu entfalten und sich den Details seiner Geschichte hinzugeben. Diese Erkenntnis verstärkte die Wirkung, die Kapstadt auf uns hatte, noch mehr.
TS: Iceland and Australia are geographically like this. In the middle of the two is South Africa. We decided upon the city of Cape Town, and there we met for one week. The city itself proved to be a stunningly powerful environment to focus on reconciliation and forgiveness. Nowhere else has healing and rapprochement been tested like it has in South Africa. As a nation, South Africa sought to sit within the truth of its past, and to listen to the details of its history. Knowing this only magnified the effect that Cape Town had on us.
Im Laufe dieser Woche erzählten wir uns buchstäblich unsere Lebensgeschichten, von Anfang bis zum Ende. Dabei analysierten wir unsere eigene Geschichte. Wir folgten strikt einer Regel, nämlich Ehrlichkeit. Dabei blieben eine gewisse Entblößung und unverhohlene Verletzlichkeit nicht aus. Es gab zermürbende Geständnisse und Momente, in denen wir die Erlebnisse des anderen, nicht glauben konnten. Die weitreichenden Folgen sexueller Gewalt wurden ausgesprochen und gefühlt, von Angesicht zu Angesicht. In anderen Momenten fanden wir aufsteigende Klarheit und sogar völlig unerwartetes, befreiendes Gelächter. Wir gaben unser Bestes, einander aufmerksam zuzuhören. Unsere individuellen Wahrnehmungen waren voll absoluter Reinheit und sie erhellten unsere Seelen.
Over the course of this week, we literally spoke our life stories to each other, from start to finish. And this was about analyzing our own history. We followed a strict policy of being honest, and this also came with a certain exposure, an open-chested vulnerability. There were gutting confessions, and moments where we just absolutely couldn't fathom the other person's experience. The seismic effects of sexual violence were spoken aloud and felt, face to face. At other times, though, we found a soaring clarity, and even some totally unexpected but liberating laughter. When it came down to it, we did out best to listen to each other intently. And our individual realities were aired with an unfiltered purity that couldn't do any less than lighten the soul.
TE: Rache nehmen zu wollen, ist eine natürliche menschliche Emotion -- sie ist sogar instinktiv. Jahrelang wollte ich nur eins: Tom so zu verletzen, wie er mich verletzt hatte. Aber wenn ich keinen Weg aus dem Hass und der Wut gefunden hätte, weiß ich nicht, ob ich heute hier wäre. Das heißt nicht, dass ich nicht auch zwischendurch Zweifel hatte. Als das Flugzeug auf der Landebahn in Kapstadt aufsetzte, dachte ich: "Warum habe ich mir nicht einfach einen Therapeuten und eine Flasche Wodka besorgt wie normale Menschen?"
TE: Wanting to take revenge is a very human emotion -- instinctual, even. And all I wanted to do for years was to hurt Tom back as deeply as he had hurt me. But had I not found a way out of the hatred and anger, I'm not sure I'd be standing here today. That isn't to say that I didn't have my doubts along the way. When the plane bounced on that landing strip in Cape Town, I remember thinking, "Why did I not just get myself a therapist and a bottle of vodka like a normal person would do?"
(Gelächter)
(Laughter)
Manchmal fühlte sich unsere Suche nach Verständnis wie eine unmögliche Aufgabe an und ich wollte aufgeben und heim zu meinem geliebten Mann Vidir und unserem Sohn. Aber trotz unserer Schwierigkeiten endete diese Reise mit einem siegreichen Gefühl. Licht hatte über Schatten triumphiert. Etwas Konstruktives konnte aus den Scherben entstehen.
At times, our search for understanding in Cape Town felt like an impossible quest, and all I wanted to do was to give up and go home to my loving husband, Vidir, and our son. But despite our difficulties, this journey did result in a victorious feeling that light had triumphed over darkness, that something constructive could be built out of the ruins.
Ich habe irgendwo gelesen, man soll versuchen, der Mensch zu sein, den man brauchte, als man jünger war. Als ich ein Teenager war, hätte ich gerne gehört, dass die Schuld nicht bei mir lag, dass es Hoffnung gibt nach einer Vergewaltigung, dass man sogar glücklich werden kann, so wie ich mit meinem Ehemann. Daher begann ich, fieberhaft zu schreiben, als ich aus Kapstadt zurückkehrte, Daraus entstand ein Buch, bei dem Tom mitwirkte. Ich hoffe, es kann Leuten an beiden Enden des Täter-Überlebenden-Spektrums helfen. Es ist zumindest eine Geschichte, die wir gebraucht hätten, als wir jünger waren.
I read somewhere that you should try and be the person that you needed when you were younger. And back when I was a teenager, I would have needed to know that the shame wasn't mine, that there's hope after rape, that you can even find happiness, like I share with my husband today. Which is why I started writing feverishly upon my return from Cape Town, resulting in a book co-authored by Tom, that we hope can be of use to people from both ends of the perpetrator-survivor scale. If nothing else, it's a story that we would've needed to hear when we were younger.
Mit unserer Geschichte gehen unweigerlich Wörter wie Opfer und Vergewaltiger einher. Solche Bezeichnungen ermöglichen eine Zuordnung, aber sie können auch entmenschlichend wirken. Wenn jemand als Opfer erachtet wird, ist es einfacher jemanden als beschädigt, entehrt oder wertlos abzustempeln. Wenn jemand als Vergewaltiger gebrandmarkt wird, ist es viel einfacher, ihn als Monster oder Unmensch zu bezeichnen. Aber wie sollen wir jemals verstehen, was Gewalt in unserer Gesellschaft bewirkt, wenn wir uns weigern die Menschlichkeit jener anzuerkennen, die sie verursachen? Und wie --
Given the nature of our story, I know the words that inevitably accompany it -- victim, rapist -- and labels are a way to organize concepts, but they can also be dehumanizing in their connotations. Once someone's been deemed a victim, it's that much easier to file them away as someone damaged, dishonored, less than. And likewise, once someone has been branded a rapist, it's that much easier to call him a monster -- inhuman. But how will we understand what it is in human societies that produces violence if we refuse to recognize the humanity of those who commit it? And how --
(Applaus)
(Applause)
Und wie können wir Überlebende bestärken, wenn wir sie Wertlosigkeit spüren lassen? Wie können wir Lösungen für die größten Bedrohungen im Leben von Frauen und Kindern auf der ganzen Welt diskutieren, wenn die Wörter, die wir verwenden, Teil des Problems sind?
And how can we empower survivors if we're making them feel less than? How can we discuss solutions to one of the biggest threats to the lives of women and children around the world, if the very words we use are part of the problem?
TS: Ich weiß heute, dass mein Handeln in jener Nacht 1996 ein egoistischer Raub war. Ich dachte, ich verdiente Thordis' Körper. Ich wuchs unter positiven, sozialen Einflüssen und gerechten Menschen auf. Aber bei diesem Anlass entschied ich mich für die negative Seite. Jene Seite, die in Frauen geringeren Wert sieht und denkt, Männer hätten ein unausgesprochenes Recht auf deren Körper. Diese Einflüsse kamen jedoch von außen. In diesem Zimmer traf ich allein die Entscheidung, sonst niemand.
TS: From what I've now learnt, my actions that night in 1996 were a self-centered taking. I felt deserving of Thordis's body. I've had primarily positive social influences and examples of equitable behavior around me. But on that occasion, I chose to draw upon the negative ones. The ones that see women as having less intrinsic worth, and of men having some unspoken and symbolic claim to their bodies. These influences I speak of are external to me, though. And it was only me in that room making choices, nobody else.
Wenn man sich etwas eingesteht und sich wirklich zu seiner Schuld bekennt, kann etwas Überraschendes passieren. Ich nenne es das Eigentums-Paradox. Ich dachte, ich würde unter der Bürde der Verantwortung zerbrechen. Ich dachte, meine Bescheinigung als Mensch würde mit entzogen werden. Stattdessen erhielt ich die Chance, anzuerkennen, was ich getan hatte. Ich erkannte, dass ich nicht völlig Eigentümer meiner Selbst war. Was du getan hast, muss nicht die Summe dessen ausmachen, wer du bist. Der Lärm in meinem Kopf ließ nach. Dem hemmungslosen Selbstmitleid wurde der Sauerstoff entzogen und es wurde durch den frischen Wind der Akzeptanz ersetzt -- die Akzeptanz, diese wundervolle Person verletzt zu haben; die Akzeptanz, Teil einer großen und gewöhnlichen Gruppe von Männern zu sein, die sexuelle Gewalt an ihren Partnern verübt.
When you own something and really square up to your culpability, I do think a surprising thing can happen. It's what I call a paradox of ownership. I thought I'd buckle under the weight of responsibility. I thought my certificate of humanity would be burnt. Instead, I was offered to really own what I did, and found that it didn't possess the entirety of who I am. Put simply, something you've done doesn't have to constitute the sum of who you are. The noise in my head abated. The indulgent self-pity was starved of oxygen, and it was replaced with the clean air of acceptance -- an acceptance that I did hurt this wonderful person standing next to me; an acceptance that I am part of a large and shockingly everyday grouping of men who have been sexually violent toward their partners.
Unterschätzen Sie nicht die Macht von Worten. Thordis zu sagen, dass ich sie vergewaltigt habe, veränderte die stille Übereinkunft, die ich mit mir selbst und auch mit ihr hatte. Aber am wichtigsten ist, dass die Schuld von Thordis zu mir überging. Viel zu oft geht die Verantwortung an die weiblichen Überlebenden sexueller Gewalt und nicht an die Männer, die sie verübten. Viel zu oft finden die Beteiligten durch Leugnen und Weglaufen nicht zur Wahrheit. Es ist inzwischen zweifellos zu einem öffentlichen Thema geworden und so wie viele andere bestärkt es uns, dass es heute kaum mehr möglich ist, sich dieser schwierigen aber wichtigen Diskussion zu entziehen. Ich sehe es als meine Verantwortung, dass wir unsere Stimmen hinzufügen.
Don't underestimate the power of words. Saying to Thordis that I raped her changed my accord with myself, as well as with her. But most importantly, the blame transferred from Thordis to me. Far too often, the responsibility is attributed to female survivors of sexual violence, and not to the males who enact it. Far too often, the denial and running leaves all parties at a great distance from the truth. There's definitely a public conversation happening now, and like a lot of people, we're heartened that there's less retreating from this difficult but important discussion. I feel a real responsibility to add our voices to it.
TE: Was wir getan haben, ist kein Rezept, das wir anderen verschreiben wollen. Niemand hat das Recht, anderen zu sagen, wie sie ihre schwersten Qualen oder größten Fehler bewältigen sollen. Das Schweigen zu brechen, ist nie einfach. An manchen Orten kann es sogar tödlich enden, über Vergewaltigung zu sprechen. Ich weiß, dass sogar das traumatischste Ereignis meines Lebens ein Beweis für meine Privilegien ist. Ich kann darüber reden, ohne geächtet oder sogar getötet zu werden. Aber mit dem Privileg einer Stimme kommt auch die Verantwortung sie zu nutzen. Das schulde ich anderen Überlebenden, die diese Möglichkeit nicht haben.
TE: What we did is not a formula that we're prescribing for others. Nobody has the right to tell anyone else how to handle their deepest pain or their greatest error. Breaking your silence is never easy, and depending on where you are in the world, it can even be deadly to speak out about rape. I realize that even the most traumatic event of my life is still a testament to my privilege, because I can talk about it without getting ostracized, or even killed. But with that privilege of having a voice comes the responsibility of using it. That's the least I owe my fellow survivors who can't.
Unsere Geschichte ist einzigartig und doch so verbreitet. Sexuelle Gewalt ist eine globale Epidemie. Aber es muss nicht so sein. Was mir auf meinem Heilungsweg geholfen hat, war, mich ausführlich über sexuelle Gewalt zu informieren. Deshalb lese, schreibe und spreche ich seit mehr als einem Jahrzehnt darüber. Ich besuche Konferenzen auf der ganzen Welt. Meiner Erfahrung nach sind die Teilnehmer fast ausschließlich weiblich. Es ist höchste Zeit aufzuhören, sexuelle Gewalt als ein Frauenthema zu behandeln.
The story we've just relayed is unique, and yet it is so common with sexual violence being a global pandemic. But it doesn't have to be that way. One of the things that I found useful on my own healing journey is educating myself about sexual violence. And as a result, I've been reading, writing and speaking about this issue for over a decade now, going to conferences around the world. And in my experience, the attendees of such events are almost exclusively women. But it's about time that we stop treating sexual violence as a women's issue.
(Applaus)
(Applause)
Der Großteil sexueller Gewalt gegen Frauen und Männer wird von Männern verursacht. Und dennoch sind ihre Meinungen zu diesem Thema viel zu schwach vertreten. Es werden hierbei jedoch alle benötigt. Denken Sie nur an all das Leid, das wir lindern könnten, wenn wir uns trauen würden, dem Problem gemeinsam gegenüberzutreten.
A majority of sexual violence against women and men is perpetrated by men. And yet their voices are sorely underrepresented in this discussion. But all of us are needed here. Just imagine all the suffering we could alleviate if we dared to face this issue together.
Danke.
Thank you.
(Applaus)
(Applause)