Ein altes Sprichwort berichtet von der Schwierigkeit, eine schwarze Katze in einem dunklen Raum zu finden, besonders, wenn es keine Katze gibt. Ich finde das eine sehr passende Beschreibung von Wissenschaft und ihrer Funktionsweise – man tapert in einem dunklen Raum herum, stolpert über Gegenstände, versucht, die Form von diesem oder jenem zu erraten, es kursieren Gerüchte über eine Katze, keiner weiß, ob sie stimmen, und so weiter und so fort.
There is an ancient proverb that says it's very difficult to find a black cat in a dark room, especially when there is no cat. I find this a particularly apt description of science and how science works -- bumbling around in a dark room, bumping into things, trying to figure out what shape this might be, what that might be, there are reports of a cat somewhere around, they may not be reliable, they may be,
Nun weiß ich, dass diese Auffassung nicht mit der der meisten Leute übereinstimmt.
and so forth and so on.
Im Allgemeinen wird uns eingetrichtert, Wissenschaft sei ein wohlgeordneter Mechanismus, um die Welt zu verstehen, Fakten zu sammeln, Daten zu erheben; sie ist regelbasiert und Wissenschaftler verwenden die sogenannte "wissenschaftliche Methode", jetzt schon seit 14 Generationen oder so, und diese Methode ist ein Regelsatz, der die knallharten Fakten aus den Daten herausholt.
Now I know this is different than the way most people think about science. Science, we generally are told, is a very well-ordered mechanism for understanding the world, for gaining facts, for gaining data, that it's rule-based, that scientists use this thing called the scientific method and we've been doing this for 14 generations or so now, and the scientific method is a set of rules
Ich möchte Sie vom Gegenteil überzeugen. Hier haben wir die wissenschaftliche Methode, aber tatsächlich passiert das hier. (Lachen)
for getting hard, cold facts out of the data. I'd like to tell you that's not the case. So there's the scientific method,
[Wissenschaftliche Methode vs. Herumrülpsen]
but what's really going on is this. (Laughter)
[The Scientific Method vs. Farting Around]
Und es läuft ungefähr so ab.
And it's going on kind of like that.
[... im Dunkeln] (Lachen)
[... in the dark] (Laughter)
Wo liegt nun der Unterschied zwischen meinem Blick auf Wissenschaft und der allgemeinen Wahrnehmung? Dieser Unterschied wurde mir zuerst auf verschiedene Weise in meiner Doppelrolle an der Columbia University bewusst – ich habe dort eine Professur und betreibe ein Neurowissenschaft-Labor, an dem wir die Funktionsweise des Gehirns ergründen. Dies tun wir, indem wir den Geruchssinn untersuchen, die olfaktorische Wahrnehmung, und im Labor ist es ein großes Vergnügen und sehr faszinierend und aufregend, mit Studienabgängern und Doktoranden zusammenzuarbeiten und sich coole Experimente auszudenken, um diesen Geruchssinn und das Gehirn zu verstehen. Offen gesagt ist es irgendwie berauschend.
So what is the difference, then, between the way I believe science is pursued and the way it seems to be perceived? So this difference first came to me in some ways in my dual role at Columbia University, where I'm both a professor and run a laboratory in neuroscience where we try to figure out how the brain works. We do this by studying the sense of smell, the sense of olfaction, and in the laboratory, it's a great pleasure and fascinating work and exciting to work with graduate students and post-docs and think up cool experiments to understand how this sense of smell works and how the brain might be working, and, well, frankly, it's kind of exhilarating.
Aber zur selben Zeit trage ich die Verantwortung für einen Kurs über das Gehirn für Studenten – ein riesiges Themengebiet – und das dauert eine ganze Weile und ist ziemlich herausfordernd und interessant aber, rund heraus, nicht ganz so berauschend. Wo liegt der Unterschied? Der Kurs, den ich weiter unterrichte, heißt Zellulare und Molekulare Neurowissenschaft – Teil Eins. (Lacht) Er besteht aus 25 Vorlesungen mit verschiedensten Fakten und verwendet dieses riesige Buch namens "Prinzipien neuraler Wissenschaft" von drei berühmten Neurowissenschaftlern. Das Buch beläuft sich auf 1.414 Seiten und wiegt sagenhafte 3 kg. Um das mal in Relation zu setzen, das ist das Gewicht zweier normaler menschlicher Gehirne.
But at the same time, it's my responsibility to teach a large course to undergraduates on the brain, and that's a big subject, and it takes quite a while to organize that, and it's quite challenging and it's quite interesting, but I have to say, it's not so exhilarating. So what was the difference? Well, the course I was and am teaching is called Cellular and Molecular Neuroscience - I. (Laughs) It's 25 lectures full of all sorts of facts, it uses this giant book called "Principles of Neural Science" by three famous neuroscientists. This book comes in at 1,414 pages, it weighs a hefty seven and a half pounds. Just to put that in some perspective,
(Lachen)
that's the weight of two normal human brains.
Und so erkannte ich am Ende dieses Kurses, dass die Studenten vielleicht den Eindruck bekamen, dass wir alles Wissenswerte über das Gehirn wissen. Das stimmt natürlich nicht. Und sie mussten auch zu dem Eindruck gelangt sein, dass Wissenschaftler Daten erheben und Fakten sammeln und die dann in fette Bücher stecken. Das stimmt auch nicht so richtig. Wenn ich mich nach einem Tag voller Treffen in einer Bar auf ein paar Bier mit den Kollegen treffe, reden wir nie über das, was wir wissen. Wir reden über das, was wir nicht wissen. Wir sprechen darüber, was noch getan werden muss, was unbedingt im Labor erledigt werden muss. Am besten wurde das von – glaube ich – Marie Curie ausgedrückt: "Man bemerkt nie das, was getan wurde, sondern nur das, was noch zu tun ist." Sie schrieb dies ihrem Bruder, nachdem sie ihren zweiten Uni-Abschluss erhielt.
(Laughter) So I began to realize, by the end of this course, that the students maybe were getting the idea that we must know everything there is to know about the brain. That's clearly not true. And they must also have this idea, I suppose, that what scientists do is collect data and collect facts and stick them in these big books. And that's not really the case either. When I go to a meeting, after the meeting day is over and we collect in the bar over a couple of beers with my colleagues, we never talk about what we know. We talk about what we don't know. We talk about what still has to get done, what's so critical to get done in the lab. Indeed, this was, I think, best said by Marie Curie who said that one never notices what has been done but only what remains to be done. This was in a letter to her brother after obtaining
Das hier war schon immer eines meiner liebsten Bilder von Marie Curie, denn ich bin mir sicher, dass das Leuchten hinter ihr kein Lichteffekt ist. (Lachen) Das ist echt. Es stimmt, dass ihre Artikel bis heute in einem Kellerraum der Bibliothèque Française aufbewahrt werden, in einem Betonbunker mit Bleiverkleidung, und wenn man als Gelehrter diese Aufzeichnungen lesen möchte, muss man einen strahlensicheren Anzug anziehen, ziemlich gruselige Sache.
her second graduate degree, I should say. I have to point out this has always been one of my favorite pictures of Marie Curie, because I am convinced that that glow behind her is not a photographic effect. (Laughter) That's the real thing. It is true that her papers are, to this day, stored in a basement room in the Bibliothèque Française in a concrete room that's lead-lined, and if you're a scholar and you want access to these notebooks, you have to put on a full radiation hazmat suit,
Aber genau das lassen wir in unseren Kursen weg,
so it's pretty scary business.
und wir lassen die Interaktion aus, die wir als Wissenschaftler mit der Öffentlichkeit haben, das "was noch zu tun ist". Die total aufregenden und interessanten Sachen. Die Ignoranz, wenn man so will. Die fehlt.
Nonetheless, this is what I think we were leaving out of our courses and leaving out of the interaction that we have with the public as scientists, the what-remains-to-be-done. This is the stuff that's exhilarating and interesting. It is, if you will, the ignorance.
Und so dachte ich mir, vielleicht solle ich einen Kurs über Ignoranz halten, vielleicht endlich etwas, worin ich richtig gut bin. Also begann ich diesen Kurs über Ignoranz und das ist ganz schön interessant. Sie sollten mal auf die Webseite gehen. Dort finden Sie alle möglichen Informationen. Sie ist offen zugänglich. Und es ist eine recht interessante Erfahrung für mich, andere Wissenschafter zu treffen, die kommen und darüber sprechen, was sie nicht wissen.
That's what was missing. So I thought, well, maybe I should teach a course on ignorance, something I can finally excel at, perhaps, for example. So I did start teaching this course on ignorance, and it's been quite interesting and I'd like to tell you to go to the website. You can find all sorts of information there. It's wide open. And it's been really quite an interesting time for me to meet up with other scientists who come in and talk
Ich verwende hier das Wort "Ignoranz" natürlich, um wenigstens teilweise zu provozieren, denn Ignoranz hat einen ziemlich schlechten Beiklang und den meine ich auf keinen Fall. Ich meine hier keine Dummheit, keine unverhohlene Indifferenz gegenüber Vernunft, Daten oder Tatsachen. Die Ignoranten sind eindeutig unerleuchtet, un-bewusst, uninformiert, und Anwesende natürlich ausgeschlossen, wurden sie scheinbar oft in ihre Position gewählt. Das ist vielleicht eine andere Geschichte.
about what it is they don't know. Now I use this word "ignorance," of course, to be at least in part intentionally provocative, because ignorance has a lot of bad connotations and I clearly don't mean any of those. So I don't mean stupidity, I don't mean a callow indifference to fact or reason or data. The ignorant are clearly unenlightened, unaware, uninformed, and present company today excepted, often occupy elected offices, it seems to me.
Ich meine hier eine andere Ignoranz. Eine weniger abwertende Ignoranz, die von einer gemeinschaftlichen Wissenslücke kommt, etwas, das einfach nicht zum Wissen gedacht ist, oder noch nicht bekannt genug, oder wir können keine Schlüsse ziehen, die Art von Ignoranz, die man vielleicht am ehesten in einem Zitat von James Clerk Maxwell zusammenfasst, der wohl größte Physiker zwischen Newton und Einstein, der sagte: "Der Auftakt zu jedem wahren wissenschaftlichen Fortschritt ist eine gründliche, bewusste Ignoranz." Das ist doch ein toller Gedanke: eine gründliche, bewusste Ignoranz.
That's another story, perhaps. I mean a different kind of ignorance. I mean a kind of ignorance that's less pejorative, a kind of ignorance that comes from a communal gap in our knowledge, something that's just not there to be known or isn't known well enough yet or we can't make predictions from, the kind of ignorance that's maybe best summed up in a statement by James Clerk Maxwell, perhaps the greatest physicist between Newton and Einstein, who said, "Thoroughly conscious ignorance is the prelude to every real advance in science." I think it's a wonderful idea:
Über diese Art Ignoranz möchte ich heute also sprechen, doch erst müssen wir eines klären: Was machen wir mit all den Fakten? Ja, die Wissenschaft erhebt rasend schnell Daten. Wissenschaft scheint für uns alle dieser riesige Faktenberg, dieses Akkumulationsmodell der Wissenschaft, wie es einige nannten, und er scheint undurchdringlich. Unmöglich. Wie kann man das je alles wissen? Und tatsächlich – die Fachliteratur wächst alarmierend schnell. 2006 gab es 1,3 Millionen veröffentlichte Artikel. Bei einer Wachstumsrate von 2,5 % pro Jahr waren wir letztes Jahr bei mehr als 1,5 Millionen angekommen. Teilen Sie das mal auf Minuten pro Jahr auf, dann erhalten Sie drei Artikel pro Minute. Ich stehe hier also seit gut 10 Minuten und habe schon drei Artikel verpasst. Eigentlich muss ich weg. Ich muss lesen.
thoroughly conscious ignorance. So that's the kind of ignorance that I want to talk about today, but of course the first thing we have to clear up is what are we going to do with all those facts? So it is true that science piles up at an alarming rate. We all have this sense that science is this mountain of facts, this accumulation model of science, as many have called it, and it seems impregnable, it seems impossible. How can you ever know all of this? And indeed, the scientific literature grows at an alarming rate. In 2006, there were 1.3 million papers published. There's about a two-and-a-half-percent yearly growth rate, and so last year we saw over one and a half million papers being published. Divide that by the number of minutes in a year, and you wind up with three new papers per minute. So I've been up here a little over 10 minutes, I've already lost three papers.
Wie können wir das angehen? Es ist so: Wissenschaftler gehen mit einer kontrollierten Missachtung an das Thema heran. Auf eine gewisse Art ist es uns egal. Fakten sind wichtig. Um Wissenschaftler zu sein, muss man eine Menge wissen. Okay. Aber viel zu wissen, macht einen nicht zum Wissenschaftler. Man muss auch eine Menge wissen, um Anwalt zu werden, oder Buchhalter, oder Elektriker, oder Schreiner. Aber in der Wissenschaft ist viel zu wissen nicht der Sinn der Sache. Viel zu wissen hilft dabei, mehr Ignoranz zu erlangen. Wissen ist also das große Thema, doch ich behaupte mal, Ignoranz ist das größere.
I have to get out of here actually. I have to go read. So what do we do about this? Well, the fact is that what scientists do about it is a kind of a controlled neglect, if you will. We just don't worry about it, in a way. The facts are important. You have to know a lot of stuff to be a scientist. That's true. But knowing a lot of stuff doesn't make you a scientist. You need to know a lot of stuff to be a lawyer or an accountant or an electrician or a carpenter. But in science, knowing a lot of stuff is not the point. Knowing a lot of stuff is there to help you get to more ignorance. So knowledge is a big subject, but I would say
Das führt uns dazu, vielleicht ein bisschen
ignorance is a bigger one.
über ein paar gängige Wissenschaftsmodelle nachzudenken, von denen ich Ihnen einige gern abgewöhnen möchte. Ein beliebtes Modell ist das Puzzle: Wissenschaftler setzen geduldig die Einzelteile zusammen, um irgendeinen Masterplan zu enthüllen. Das stimmt natürlich nicht. Zum einen garantiert bei Puzzeln der Hersteller eine Lösung. Wir haben keine solche Garantie. Viele von uns zweifeln schon am "Hersteller".
So this leads us to maybe think about, a little bit about, some of the models of science that we tend to use, and I'd like to disabuse you of some of them. So one of them, a popular one, is that scientists are patiently putting the pieces of a puzzle together to reveal some grand scheme or another. This is clearly not true. For one, with puzzles, the manufacturer has guaranteed that there's a solution. We don't have any such guarantee. Indeed, there are many of us who aren't so sure about the manufacturer.
(Lachen)
(Laughter)
Also funktioniert das Puzzle-Modell nicht.
So I think the puzzle model doesn't work.
Ein weiteres gängiges Bild ist das schrittweise Enthüllen, etwa wie das Entfernen einzelner Zwiebelschalen. So wird Schale für Schale die Zwiebel enthüllt, um zum fundamentalen Kern der Wahrheit zu gelangen. Aber so funktioniert es auch nicht. Hier noch ein beliebtes Modell, das des Eisbergs. Wir sehen nur seine Spitze, doch darunter ist der größte Teil des Eisbergs versteckt. All diese Modelle sind auf der Idee eines Faktenkorpus begründet, den man irgendwie vervollständigen kann. Wir können den Eisberg zerhacken und ihn enträtseln, oder heutzutage einfach warten, bis er schmilzt. Doch irgendwie gelangen wir an den ganzen Eisberg. Oder? Oder er bekommt eine übersichtliche Größe. Doch das ist nicht der Fall. Tatsächlich entspricht die Wissenschaft eher einem magischen Brunnen: Egal, wie viele Eimer Wasser man ihm entnimmt, man kann immer noch einen weiteren herausholen, oder hier mein liebstes Bild, was den Effekt und alles betrifft: Wellen in einem Teich. Betrachten Sie Wissen also als diese sich ausbreitende Wellenbewegung, muss man hier erkennen, dass unsere Ignoranz, der Umfang unseres Wissens, mit dem Wissen zunimmt. Das Wissen generiert also Ignoranz. Ich finde, das hat George Bernard Shaw wirklich gut formuliert. Eigentlich ist das ein Teil eines Trinkspruches, den er auf einem Diner zu Ehren Einsteins aussprach. ["Die Wissenschaft liegt immer falsch. Sie löst kein Problem, ohne dabei 10 neue aufzuwerfen.]
Another popular model is that science is busy unraveling things the way you unravel the peels of an onion. So peel by peel, you take away the layers of the onion to get at some fundamental kernel of truth. I don't think that's the way it works either. Another one, a kind of popular one, is the iceberg idea, that we only see the tip of the iceberg but underneath is where most of the iceberg is hidden. But all of these models are based on the idea of a large body of facts that we can somehow or another get completed. We can chip away at this iceberg and figure out what it is, or we could just wait for it to melt, I suppose, these days, but one way or another we could get to the whole iceberg. Right? Or make it manageable. But I don't think that's the case. I think what really happens in science is a model more like the magic well, where no matter how many buckets you take out, there's always another bucket of water to be had, or my particularly favorite one, with the effect and everything, the ripples on a pond. So if you think of knowledge being this ever-expanding ripple on a pond, the important thing to realize is that our ignorance, the circumference of this knowledge, also grows with knowledge. So the knowledge generates ignorance. This is really well said, I thought, by George Bernard Shaw. This is actually part of a toast that he delivered to celebrate Einstein at a dinner celebrating Einstein's work, in which he claims that science
Das finde ich glorreich und stimme ihm völlig zu. Außerdem sorgt das für Sicherheit im Beruf. Diesen Gedanken hatte er eigentlich vom Philosophen Immanuel Kant abgekupfert, der 100 Jahre vor ihm schon die Idee von der Fragenvermehrung gehabt hatte: "Jede Antwort führt nur zu mehr Fragen." Ich liebe diesen Begriff, "Fragenvermehrung", diesen Gedanken, dass Fragen sich fröhlich fortpflanzen.
just creates more questions than it answers. ["Science is always wrong. It never solves a problem without creating 10 more."] I find that kind of glorious, and I think he's precisely right, plus it's a kind of job security. As it turns out, he kind of cribbed that from the philosopher Immanuel Kant who a hundred years earlier had come up with this idea of question propagation, that every answer begets more questions. I love that term, "question propagation,"
Ich sage also, ein passendes Modell ist keines, wo wir ignorant anfangen und dann Fakten sammeln und so Wissen erlangen. Es ist eher anders herum. Wofür verwenden wir dieses Wissen? Wofür verwenden wir diese Faktensammlungen? Wir verbessern damit unsere Ignoranz, wir erlangen sozusagen mehr hoch-qualitative Ignoranz. Denn es gibt natürlich eine niedrig-qualitative Ignoranz und eine hoch-qualitative Ignoranz ist nicht gleich Ignoranz. Ein andauernder Streit unter Wissenschaftlern. Wir nennen es manchmal Stierkampf und manchmal Forschungsanträge. Aber darum geht es bei diesem Streit. Es geht um die Ignoranz. Darum, was wir nicht wissen. Darum, was eine gute Frage ausmacht.
this idea of questions propagating out there. So I'd say the model we want to take is not that we start out kind of ignorant and we get some facts together and then we gain knowledge. It's rather kind of the other way around, really. What do we use this knowledge for? What are we using this collection of facts for? We're using it to make better ignorance, to come up with, if you will, higher-quality ignorance. Because, you know, there's low-quality ignorance and there's high-quality ignorance. It's not all the same. Scientists argue about this all the time. Sometimes we call them bull sessions. Sometimes we call them grant proposals. But nonetheless, it's what the argument is about. It's the ignorance. It's the what we don't know.
Was halten wir von diesen Fragen? Ich zeige Ihnen mal ein Diagramm, das ein paar Stunden des Glücks in verschiedenen Wissenschaftszweigen zeigt. Es geht hier um die Beziehung zwischen dem, was Sie kennen, und wie viel Sie darüber wissen. Das Bekannte kann also von 'Null' bis 'Alles' reichen, und wie viel Sie darüber wissen, reicht von ein bisschen bis viel. Hier ist ein ein Punkt im Diagramm. Ein Student. Weiß noch nicht viel, aber interessiert sich für vieles. Interessiert sich für fast alles. Hier haben wir einen Master-Student, schon ein bisschen weiter in der Ausbildung. Der weiß schon etwas mehr, aber das Wissen ist etwas enger geworden. Und hier haben wir den Doktoranden, der weiß dann eine unglaubliche Menge über fast nichts. (Lachen) Sehr verstörend daran ist der durchlaufende Trend, denn dort, wo er die Null unterschreitet, geht er in eine negative Ecke. Dort befinden sich dann leider Leute wie ich.
It's what makes a good question. So how do we think about these questions? I'm going to show you a graph that shows up quite a bit on happy hour posters in various science departments. This graph asks the relationship between what you know and how much you know about it. So what you know, you can know anywhere from nothing to everything, of course, and how much you know about it can be anywhere from a little to a lot. So let's put a point on the graph. There's an undergraduate. Doesn't know much but they have a lot of interest. They're interested in almost everything. Now you look at a master's student, a little further along in their education, and you see they know a bit more, but it's been narrowed somewhat. And finally you get your Ph.D., where it turns out you know a tremendous amount about almost nothing. (Laughter) What's really disturbing is the trend line that goes through that because, of course, when it dips below the zero axis, there, it gets into a negative area.
Wichtig ist hieran ist, das all dies veränderbar ist. Der ganze Blickpunkt kann verändert werden, indem man einfach die X-Achse umbenennt. Anstatt zu fragen, wie viel wir darüber wissen, können wir fragen: "Was kann man darüber fragen?" Also, ja, man muss als Chemiker viel wissen, aber der Sinn all dieses Wissens ist es nicht nur, viel zu wissen. Dann ist man nur ein Streber, oder? Wer viel weiß, sollte in der Lage sein, viele Fragen stellen zu können, durchdachte, interessante Fragen zu formulieren, denn darin steckt die eigentliche Arbeit.
That's where you find people like me, I'm afraid. So the important thing here is that this can all be changed. This whole view can be changed by just changing the label on the x-axis. So instead of how much you know about it, we could say, "What can you ask about it?" So yes, you do need to know a lot of stuff as a scientist, but the purpose of knowing a lot of stuff is not just to know a lot of stuff. That just makes you a geek, right? Knowing a lot of stuff, the purpose is to be able to ask lots of questions, to be able to frame thoughtful, interesting questions,
Hier ein kurzer Eindruck von einigen dieser Fragen. Ich bin Neurowissenschaftler. Wie finden wir neue Fragen in der Neurowissenschaft? Der Prozess ist nicht immer so geradlinig. Zum Beispiel könnten wir fragen: Was genau tut das Gehirn denn? Eine Sache wäre die: Es bewegt uns. Wir laufen auf zwei Beinen. Das scheint recht simpel. Fast jeder, der älter als 10 Monate ist, läuft auf zwei Beinen, oder nicht? Vielleicht ist das also nicht so interessant. Vielleicht sollten wir uns eine kompliziertere Frage anschauen. Wie wäre es mit dem visuellen System? Hier haben wir es. Wir lieben unser visuelles System. Damit können wir so viel machen. Es gibt mehr als 12.000 Neurowissenschaftler, die sich damit beschäftigen, mit allem von der Retina zum visuellen Kortex, um nicht nur das visuelle System zu verstehen, sondern auch die allgemeinen Prinzipien der Funktionsweise des Gehirns. Aber hier ist der Knaller: Unsere Technologie ist ziemlich gut darin, die Funktion des visuellen Systems zu reproduzieren. Wir haben TV, wir haben Filme, wir haben Animation und Fotografie, wir haben Mustererkennung, all so was. Sie funktionieren nicht immer genau wie unser visuelles System, aber wir sind doch einer Technologie, die wie unser visuelles System funktioniert, recht nahe gekommen. Aber irgendwie haben wir in 100 Jahren der Robotik keinen Roboter auf zwei Beinen laufen sehen, denn Roboter laufen nicht auf zwei Beinen, es ist nämlich keine einfache Sache. 100 Jahre der Robotik und wir kriegen keinen Roboter dazu, sich mehr als ein paar Schritte zu bewegen. Sollen sie eine Schräge hochlaufen, fallen sie um. Sie sollen sich umdrehen und fallen um. Ein ernsthaftes Problem. Was ist also die schwierigste Aufgabe für ein Gehirn? Was sollten wir untersuchen? Vielleicht der Gang auf zwei Beinen, oder das motorische System. Hier ein Beispiel aus meinem Labor, meine ziemlich stinkenden Fragen, da wir mit dem Geruchssinn arbeiten. Aber hier ist ein Diagramm mit fünf Molekülen und einer Art chemischen Schemas. Das sind einfach nur Moleküle, aber wenn Sie die riechen, mit diesen beiden kleinen Löchern in Ihrem Gesicht, dann taucht in Ihrer Vorstellung der Eindruck einer Rose auf. Wenn eine echte Rose da ist, sind diese Moleküle da, aber selbst wenn sie nicht da ist, haben Sie die Erinnerung eines Moleküls. Wie können wir Moleküle in Wahrnehmung umändern? Was für ein Prozess liegt dem zugrunde? Hier ist ein weiteres Beispiel: Zwei sehr einfache Moleküle in dieser chemischen Formel. Vielleicht stellen Sie sie sich eher so vor, dass die grauen Kreise Kohlenstoffatome sind, die weißen Wasserstoff und die roten Sauerstoff. Diese zwei Moleküle unterscheiden sich in einem Kohlenstoffatom, und zwei Wasserstoffatome, die bei ihm mitfahren, und doch hat eines von ihnen, Heptylacetat, den eindeutigen Geruch einer Birne, und Hexylacetat ist ganz klar eine Banane. Jetzt kommen zwei sehr interessante Fragen. Erstens: Wie kann ein so einfaches kleines Molekül eine Wahrnehmung in Ihrem Gehirn erzeugen, die so klar wie eine Birne oder Banane ist? Zweitens: Wie zur Hölle können wir den Unterschied zwischen zwei Molekülen feststellen, die sich durch ein Kohlenstoffatom unterscheiden? Das ist doch bemerkenswert, und der beste chemische Detektor auf dem Planeten. Und Sie denken noch nicht einmal drüber nach!
because that's where the real work is. Let me give you a quick idea of a couple of these sorts of questions. I'm a neuroscientist, so how would we come up with a question in neuroscience? Because it's not always quite so straightforward. So, for example, we could say, well what is it that the brain does? Well, one thing the brain does, it moves us around. We walk around on two legs. That seems kind of simple, somehow or another. I mean, virtually everybody over 10 months of age walks around on two legs, right? So that maybe is not that interesting. So instead maybe we want to choose something a little more complicated to look at. How about the visual system? There it is, the visual system. I mean, we love our visual systems. We do all kinds of cool stuff. Indeed, there are over 12,000 neuroscientists who work on the visual system, from the retina to the visual cortex, in an attempt to understand not just the visual system but to also understand how general principles of how the brain might work. But now here's the thing: Our technology has actually been pretty good at replicating what the visual system does. We have TV, we have movies, we have animation, we have photography, we have pattern recognition, all of these sorts of things. They work differently than our visual systems in some cases, but nonetheless we've been pretty good at making a technology work like our visual system. Somehow or another, a hundred years of robotics, you never saw a robot walk on two legs, because robots don't walk on two legs because it's not such an easy thing to do. A hundred years of robotics, and we can't get a robot that can move more than a couple steps one way or the other. You ask them to go up an inclined plane, and they fall over. Turn around, and they fall over. It's a serious problem. So what is it that's the most difficult thing for a brain to do? What ought we to be studying? Perhaps it ought to be walking on two legs, or the motor system. I'll give you an example from my own lab, my own particularly smelly question, since we work on the sense of smell. But here's a diagram of five molecules and sort of a chemical notation. These are just plain old molecules, but if you sniff those molecules up these two little holes in the front of your face, you will have in your mind the distinct impression of a rose. If there's a real rose there, those molecules will be the ones, but even if there's no rose there, you'll have the memory of a molecule. How do we turn molecules into perceptions? What's the process by which that could happen? Here's another example: two very simple molecules, again in this kind of chemical notation. It might be easier to visualize them this way, so the gray circles are carbon atoms, the white ones are hydrogen atoms and the red ones are oxygen atoms. Now these two molecules differ by only one carbon atom and two little hydrogen atoms that ride along with it, and yet one of them, heptyl acetate, has the distinct odor of a pear, and hexyl acetate is unmistakably banana. So there are two really interesting questions here, it seems to me. One is, how can a simple little molecule like that create a perception in your brain that's so clear as a pear or a banana? And secondly, how the hell can we tell the difference between two molecules that differ by a single carbon atom? I mean, that's remarkable to me, clearly the best chemical detector on the face of the planet.
Hier ist eines meiner Lieblingszitate und es bringt uns zurück zur Ignoranz und zur Idee der Fragen. Ich zitiere gern, da ich Leute ungern aus Gesprächen ausschließe, nur weil sie tot sind. Und außerdem finde ich den Gedanken wichtig, dass diese Konversation schon seit einer Weile abläuft. Erwin Schrödinger also, ein großer Quantenphysiker und, wie ich meine, Philosoph, bemerkt, dass man "der Ignoranz eine unbestimmte Zeitperiode folgen" muss. Und dieses Befolgen der Ignoranz müssen wir meiner Meinung nach lernen. Das ist schwierig. Es ist wirklich nicht so einfach.
And you don't even think about it, do you? So this is a favorite quote of mine that takes us back to the ignorance and the idea of questions. I like to quote because I think dead people shouldn't be excluded from the conversation. And I also think it's important to realize that the conversation's been going on for a while, by the way. So Erwin Schrodinger, a great quantum physicist and, I think, philosopher, points out how you have to "abide by ignorance for an indefinite period" of time. And it's this abiding by ignorance that I think we have to learn how to do.
Es liegt wohl an unserem pädagogischen System, und nun komme ich zu Ignoranz und Erziehung, denn hier kommt es wirklich zum Tragen. Sehen wir den Tatsachen ins Gesicht. Im Zeitalter von Google und Wikipedia muss sich das Geschäftsmodell der Universität und wahrscheinlich auch der Oberstufe grundlegend ändern. Wir können nicht einfach vom Verkauf von Fakten leben. Man erhält sie auf einen Mausklick, oder wenn man möchte, kann man wahrscheinlich einfach eine Wand fragen, eines Tages zumindest, oder wo auch immer sie die Dinge verstecken, die uns das alles erzählen.
This is a tricky thing. This is not such an easy business. I guess it comes down to our education system, so I'm going to talk a little bit about ignorance and education, because I think that's where it really has to play out. So for one, let's face it, in the age of Google and Wikipedia, the business model of the university and probably secondary schools is simply going to have to change. We just can't sell facts for a living anymore. They're available with a click of the mouse, or if you want to, you could probably just ask the wall one of these days, wherever they're going to hide the things
Was müssen wir also tun? Wir müssen unseren Schülern ein Gefühl für die Grenzen geben, was außerhalb des Umkreises liegt, was außerhalb der Fakten liegt, genau hinter den Fakten.
that tell us all this stuff. So what do we have to do? We have to give our students a taste for the boundaries, for what's outside that circumference,
Wie tun wir das? Als eines der Probleme stellen sich die Tests heraus. Wir haben zur Zeit ein Bildungssystem, das sehr effizient ist in einer sehr schlechten Sache. In der zweiten Klasse finden alle Kinder Wissenschaft toll, Mädchen und Jungen. Sie nehmen Zeug auseinander. Sie sind total neugierig. Sie untersuchen Dinge. Sie gehen in wissenschaftliche Museen. Sie spielen gern herum. Sie sind in der zweiten Klasse. Sie sind interessiert. Aber in der 11. oder 12. Klasse interessieren sich weniger als 10 Prozent auch nur im Ansatz dafür, geschweige denn will irgendjemand Wissenschaftler werden. Dieses unglaublich effiziente System treibt also effektiv jegliches wissenschaftliche Interesse aus den Köpfen heraus.
for what's outside the facts, what's just beyond the facts. How do we do that? Well, one of the problems, of course, turns out to be testing. We currently have an educational system which is very efficient but is very efficient at a rather bad thing. So in second grade, all the kids are interested in science, the girls and the boys. They like to take stuff apart. They have great curiosity. They like to investigate things. They go to science museums. They like to play around. They're in second grade. They're interested. But by 11th or 12th grade, fewer than 10 percent of them have any interest in science whatsoever, let alone a desire to go into science as a career. So we have this remarkably efficient system for beating any interest in science out of everybody's head.
Wollen wir das? Ein Lehrerkollege von mir nannte die Ursache dafür "die bulimische Bildungsmethode". Sie wissen, was ich meine, oder? Wir stopfen ihnen einfach einen Haufen Fakten in den Hals und dann kotzen sie sie beim Test wieder raus und alle gehen nach Hause ohne jegliche intellektuelle Bereicherung.
Is this what we want? I think this comes from what a teacher colleague of mine calls "the bulimic method of education." You know. You can imagine what it is. We just jam a whole bunch of facts down their throats over here and then they puke it up on an exam over here and everybody goes home with no added intellectual heft whatsoever.
Das kann so nicht weitergehen. Was tun wir also? Hier haben die Genetiker einen sehr praktischen Leitspruch. Sie sagen: "Bei einem Screening findet man immer, was man gesucht hat." Und das soll eine Warnung sein. Wenn wir also etwas aussieben, haben wir im Ergebnis immer das Ausgesiebte. Und wir sieben teilweise nach unseren Testmethoden aus. Wir hören eine Menge über Testen und Evaluation und müssen beim Testen vorsichtig darüber nachdenken, ob wir hier bewerten oder aussieben. Ob wir nicht die Leute aussieben und bestimmte Menschen ausschließen. Bewerten ist die eine Sache. Heutzutage hört man viel über Bewertungen in der pädagogischen Literatur, doch Bewertung läuft auf Feedback hinaus und auf eine Möglichkeit, aus Fehlern zu lernen. Auf eine Chance, längerfristig mit dieser Art Feedback zu arbeiten. Das hat nichts mit Aussieben zu tun und ich sage hier oft, wenn Leute übers Bewerten von Studenten, von Lehrern, von Schulen oder Programmen sprechen, dann geht es hier eigentlich ums Aussieben. Und das ist schlecht, denn wir erhalten das, was wir vorausgewählt haben, und das haben wir bis jetzt auch erhalten.
This can't possibly continue to go on. So what do we do? Well the geneticists, I have to say, have an interesting maxim they live by. Geneticists always say, you always get what you screen for. And that's meant as a warning. So we always will get what we screen for, and part of what we screen for is in our testing methods. Well, we hear a lot about testing and evaluation, and we have to think carefully when we're testing whether we're evaluating or whether we're weeding, whether we're weeding people out, whether we're making some cut. Evaluation is one thing. You hear a lot about evaluation in the literature these days, in the educational literature, but evaluation really amounts to feedback and it amounts to an opportunity for trial and error. It amounts to a chance to work over a longer period of time with this kind of feedback. That's different than weeding, and usually, I have to tell you, when people talk about evaluation, evaluating students, evaluating teachers, evaluating schools, evaluating programs, that they're really talking about weeding. And that's a bad thing, because then you will get what you select for, which is what we've gotten so far.
Ich sage also, wir brauchen einen Test, der fragt: "Was ist X?", und die Antworten wären: "Keine Ahnung, weiß aber auch sonst keiner." oder "Was ist die Frage?" – Noch besser. Oder: "Ich werde es nachschlagen. Ich werde jemanden fragen, ich rufe mal schnell jemanden an. Ich find's heraus." Denn dazu sollen die Leute in der Lage sein und so bewertet man sie. In den fortgeschrittenen Kursen könnte die Frage so lauten: "Hier ist die Antwort. Was ist die nächste Frage?" Die mag ich besonders.
So I'd say what we need is a test that says, "What is x?" and the answers are "I don't know, because no one does," or "What's the question?" Even better. Or, "You know what, I'll look it up, I'll ask someone, I'll phone someone. I'll find out." Because that's what we want people to do, and that's how you evaluate them. And maybe for the advanced placement classes, it could be, "Here's the answer. What's the next question?" That's the one I like in particular.
Schließen möchte ich mit einem Zitat von William Butler Yeats: "Bei Bildung geht es nicht darum, Eimer zu füllen, sondern ums Entfachen von Feuer."
So let me end with a quote from William Butler Yeats, who said "Education is not about filling buckets; it is lighting fires."
Holen wir die Streichhölzer raus! Danke.
So I'd say, let's get out the matches. Thank you.
(Beifall)
(Applause)
Danke. (Beifall)
Thank you. (Applause)