["Rebecca Newberger Goldstein"] ["Steven Pinker"] ["Die große Reichweite der Vernunft"] Taxifahrer: 22 Dollar. Steven Pinker: In Ordnung. Rebecca Newberger Goldstein: Die Vernunft scheint vor die Hunde zu gehen: Die Popkultur wird immer dümmer und niveauloser, und der politische Diskurs befindet sich in einer Abwärtsspirale. Wir leben in einer Ära des wissenschaftlichen Kreationismus, der Verschwörungstheorien um den 11. September, der Hellseher-Hotlines und der Wiederkehr des religiösen Fundamentalismus. Leuten, die zu gründlich nachdenken, wird elitäres Denken vorgeworfen und selbst in der Wissenschaft wird der Logozentrismus attackiert, das Verbrechen, unser Denken von Logik leiten zu lassen.
["Rebecca Newberger Goldstein"] ["Steven Pinker"] ["The Long Reach of Reason"] Cabbie: Twenty-two dollars. Steven Pinker: Okay. Rebecca Newberger Goldstein: Reason appears to have fallen on hard times: Popular culture plumbs new depths of dumbth and political discourse has become a race to the bottom. We're living in an era of scientific creationism, 9/11 conspiracy theories, psychic hotlines, and a resurgence of religious fundamentalism. People who think too well are often accused of elitism, and even in the academy, there are attacks on logocentrism, the crime of letting logic dominate our thinking.
SP: Aber ist das denn unbedingt schlecht? Vielleicht wird Vernunft überbewertet. Viele Kritiker meinen, ein gutes Herz sowie ein festes, klares Moralempfinden seien hoch ausgebildeten Fachidioten und deren ausgeklügelten Maßnahmen überlegen, sowie den besten und hellsten Köpfen, die uns in den Vietnamkrieg verwickelt haben. Gab uns die Vernunft nicht auch die Mittel, den Planeten zu plündern und unsere Art mit Massenvernichtungswaffen zu bedrohen? Nach dieser Denkweise sind es Charakter und Gewissen, nicht kaltherzige Berechnungen, die uns retten werden. Außerdem ist ein Mensch kein Gehirn am Stiel. Meine Kollegen aus der Psychologie haben gezeigt, dass uns Körper und Gefühle leiten, und wir die mickrige Macht der Vernunft nur dazu nutzen, unser Bauchgefühl im Nachhinein zu rationalisieren.
SP: But is this necessarily a bad thing? Perhaps reason is overrated. Many pundits have argued that a good heart and steadfast moral clarity are superior to triangulations of overeducated policy wonks, like the best and brightest and that dragged us into the quagmire of Vietnam. And wasn't it reason that gave us the means to despoil the planet and threaten our species with weapons of mass destruction? In this way of thinking, it's character and conscience, not cold-hearted calculation, that will save us. Besides, a human being is not a brain on a stick. My fellow psychologists have shown that we're led by our bodies and our emotions and use our puny powers of reason merely to rationalize our gut feelings after the fact.
RNG: Wie könnte ein vernünftiges Argument auf logische Weise die Wirkungslosigkeit vernünftiger Argumente beinhalten? Sie versuchen, uns vom Unvermögen der Vernunft zu überzeugen. Sie drohen oder bestechen uns nicht, indem Sie vorschlagen, das Ganze mit Handzeichen oder einem Schönheitswettbewerb zu lösen. Genau mit dem Versuch, uns Ihren Standpunkt einzureden, geben Sie der Vernunft Macht. Hier gibt es keine Vernunft zu gewinnen. Das geht nicht. Sie kommen zu dieser Debatte und haben bereits verloren.
RNG: How could a reasoned argument logically entail the ineffectiveness of reasoned arguments? Look, you're trying to persuade us of reason's impotence. You're not threatening us or bribing us, suggesting that we resolve the issue with a show of hands or a beauty contest. By the very act of trying to reason us into your position, you're conceding reason's potency. Reason isn't up for grabs here. It can't be. You show up for that debate and you've already lost it.
SP: Aber kann uns die Vernunft in Richtungen lenken, die gut, sittsam oder moralisch sind? Schließlich haben Sie darauf hingewiesen, dass Vernunft nur Mittel zum Zweck ist und dieser von den Gefühlen des Denkers abhängt. Vernunft kann den Weg zu Frieden und Harmonie weisen, wenn der Denker dies will, aber sie kann auch zu Konflikten und Unfrieden führen, wenn sich der Denker daran erfreut. Kann die Vernunft den Denker dazu zwingen, weniger Grausamkeit und Verschwendung zu wollen?
SP: But can reason lead us in directions that are good or decent or moral? After all, you pointed out that reason is just a means to an end, and the end depends on the reasoner's passions. Reason can lay out a road map to peace and harmony if the reasoner wants peace and harmony, but it can also lay out a road map to conflict and strife if the reasoner delights in conflict and strife. Can reason force the reasoner to want less cruelty and waste?
RNG: Von ganz allein ist das nicht möglich, aber es braucht nicht viel, um möglich zu werden. Es bedarf zweier Bedingungen: Zunächst muss allen Denkern ihr eigenes Wohlergehen wichtig sein. Das ist einer der Antriebe, der existieren muss, damit Vernunft funktioniert, und das haben wir offensichtlich alle in uns. Uns allen ist das eigene Wohlergehen sehr wichtig. Die zweite Bedingung ist, dass Denker Mitglieder einer Gemeinschaft von Denkern sein müssen, die ihr Wohl gegenseitig beeinflussen, Botschaften austauschen und das Handeln des jeweils anderen verstehen können. Das trifft mit Sicherheit auf unsere gesellige und redselige Spezies zu, die mit dem Instinkt für Sprache ausgestattet ist.
RNG: All on its own, the answer is no, but it doesn't take much to switch it to yes. You need two conditions: The first is that reasoners all care about their own well-being. That's one of the passions that has to be present in order for reason to go to work, and it's obviously present in all of us. We all care passionately about our own well-being. The second condition is that reasoners are members of a community of reasoners who can affect one another's well-being, can exchange messages, and comprehend each other's reasoning. And that's certainly true of our gregarious and loquatious species, well endowed with the instinct for language.
SP: Also theoretisch hört sich das gut an, aber hat es in der Praxis je funktioniert? Kann speziell dadurch eine bedeutsame geschichtliche Entwicklung erklärt werden, über die ich vor etwa 5 Jahren hier bei TED sprach? Wir scheinen nämlich menschlicher zu werden. Vor Jahrhunderten verbrannten unsere Ahnen lebendige Katzen als eine beliebte Form der Unterhaltung. Ritter bekriegten einander ständig, indem sie versuchten, so viele Bauern des anderen wie möglich zu töten. Regierungen richteten Menschen aus leichtfertigen Gründen hin, wegen dem Stehlen eines Kohlkopfes oder Kritik am königlichen Garten. Die Hinrichtungen waren so geplant, dass sie so lange und schmerzhaft wie möglich waren, wie Kreuzigungen, Ausdärmen oder Rädern. Ehrenwerte Bürger hielten sich Sklaven. Trotz unserer Mängel schafften wir diese barbarischen Methoden ab.
SP: Well, that sounds good in theory, but has it worked that way in practice? In particular, can it explain a momentous historical development that I spoke about five years ago here at TED? Namely, we seem to be getting more humane. Centuries ago, our ancestors would burn cats alive as a form of popular entertainment. Knights waged constant war on each other by trying to kill as many of each other's peasants as possible. Governments executed people for frivolous reasons, like stealing a cabbage or criticizing the royal garden. The executions were designed to be as prolonged and as painful as possible, like crucifixion, disembowelment, breaking on the wheel. Respectable people kept slaves. For all our flaws, we have abandoned these barbaric practices.
RNG: Sie denken also, dass sich der Mensch geändert hat?
RNG: So, do you think it's human nature that's changed?
SP: Nicht ganz. Ich denke, wir haben immer noch Instinkte in uns, die in Gewalt ausarten können, wie Gier, Stammesdenken, Rache, Dominanz, Sadismus. Aber wir haben auch Instinkte, die uns davon abhalten können, wie Selbstkontrolle, Mitgefühl, Gerechtigkeitssinn, all das, was Abraham Lincoln "die besseren Engel unserer Natur" nannte.
SP: Not exactly. I think we still harbor instincts that can erupt in violence, like greed, tribalism, revenge, dominance, sadism. But we also have instincts that can steer us away, like self-control, empathy, a sense of fairness, what Abraham Lincoln called the better angels of our nature.
RNG: Wenn sich der Mensch nicht geändert hat, was hat diese besseren Engel dann bestärkt?
RNG: So if human nature didn't change, what invigorated those better angels?
SP: Unter anderem hat sich die Reichweite unseres Mitgefühls ausgedehnt. Vor Jahren fühlten unsere Ahnen nur den Schmerz ihrer Familie oder der Leute in ihrem Dorf. Aber als immer mehr Menschen lesen und reisen konnten, begannen sie auch, ihr Mitgefühl zu erweitern: auf ihre Sippe, ihren Stamm, ihre Nation, ihre Ethnie und vielleicht schließlich auf die ganze Menschheit.
SP: Well, among other things, our circle of empathy expanded. Years ago, our ancestors would feel the pain only of their family and people in their village. But with the expansion of literacy and travel, people started to sympathize with wider and wider circles, the clan, the tribe, the nation, the race, and perhaps eventually, all of humanity.
RNG: Können nüchterne Wissenschaftler sanftem Mitgefühl wirklich so viel Anerkennung zollen?
RNG: Can hard-headed scientists really give so much credit to soft-hearted empathy?
SP: Sie können und sie tun es. Neurophysiologen fanden Neuronen im Gehirn, die auf Handlungen anderer genau so wie auf die der eigenen reagieren. Mitgefühl entsteht früh im Leben, vielleicht schon im 1. Lebensjahr. Bücher über Mitgefühl wurden Bestseller, wie "Die empathische Zivilisation" oder "Das Prinzip Empathie".
SP: They can and do. Neurophysiologists have found neurons in the brain that respond to other people's actions the same way they respond to our own. Empathy emerges early in life, perhaps before the age of one. Books on empathy have become bestsellers, like "The Empathic Civilization" and "The Age of Empathy."
RNG: Ich bin auch für Mitgefühl. Wer nicht? Aber in sich selbst ist es ein schwaches Instrument, um moralische Fortschritte zu machen. Zum einen ist es von Natur aus auf Blutsverwandte, Babys und warme, flauschige Tiere ausgerichtet. Was Mitgefühl betrifft, können hässliche Außenseiter zur Hölle fahren. Selbst unsere besten Versuche, für diejenigen Mitgefühl aufzubringen, die nicht mit uns verbunden sind, versagen kläglich; eine traurige Wahrheit über die menschliche Natur, worauf Adam Smith hinwies.
RNG: I'm all for empathy. I mean, who isn't? But all on its own, it's a feeble instrument for making moral progress. For one thing, it's innately biased toward blood relations, babies and warm, fuzzy animals. As far as empathy is concerned, ugly outsiders can go to hell. And even our best attempts to work up sympathy for those who are unconnected with us fall miserably short, a sad truth about human nature
AS: Nehmen wir an, das Große Reich China
that was pointed out by Adam Smith.
würde plötzlich von einem Erdbeben verschluckt. Wie würde ein solidarischer Mensch in Europa reagieren, wenn er von dieser entsetzlichen Katastrophe erfahren würde? Zuerst würde er sehr deutlich seine Trauer über das Unglück dieser Menschen ausdrücken. Er würde melancholische Betrachtungen über die Unsicherheit des Lebens anstellen, und nachdem er diese menschlichen Gefühle einmal klar ausgedrückt hat, würde er seinem Alltag oder Vergnügen mit der gleichen Leichtigkeit und Ruhe nachgehen, als wenn nichts passiert wäre. Würde er morgen seinen kleinen Finger verlieren, würde er die Nacht nicht schlafen, aber vorausgesetzt, er sähe sie nie, würde er in höchster Sicherheit schnarchen und den Ruin seiner hundert Millionen Brüder vergessen.
Adam Smith: Let us suppose that the great empire of China was suddenly swallowed up by an earthquake, and let us consider how a man of humanity in Europe would react on receiving intelligence of this dreadful calamity. He would, I imagine, first of all express very strongly his sorrow for the misfortune of that unhappy people. He would make many melancholy reflections upon the precariousness of human life, and when all these humane sentiments had been once fairly expressed, he would pursue his business or his pleasure with the same ease and tranquility as if no such accident had happened. If he was to lose his little finger tomorrow, he would not sleep tonight, but provided he never saw them, he would snore with the most profound security over the ruin of a hundred million of his brethren.
SP: Wenn Mitgefühl noch nicht ausreicht, um uns menschlicher zu machen, was gibt es da noch?
SP: But if empathy wasn't enough to make us more humane, what else was there?
RNG: Sie haben einen unserer wahrscheinlich effektivsten "besseren Engel" nicht erwähnt: Vernunft. Vernunft hat Kraft. Es ist die Vernunft, die uns dazu bringt, diesen Kreis des Mitgefühls zu erweitern. Jede einzelne der humanitären Entwicklungen, die Sie erwähnt haben, stammt von Denkern, die Gründe dafür angaben, warum einigen Praktiken untragbar seien. Sie zeigten, dass die Art, wie Menschen gewisse Menschengruppen behandelten, logisch inkonsistent mit der Art war, wie sie selbst behandelt werden wollten.
RNG: Well, you didn't mention what might be one of our most effective better angels: reason. Reason has muscle. It's reason that provides the push to widen that circle of empathy. Every one of the humanitarian developments that you mentioned originated with thinkers who gave reasons for why some practice was indefensible. They demonstrated that the way people treated some particular group of others was logically inconsistent with the way they insisted on being treated themselves.
SP: Wollen Sie damit sagen, dass Vernunft die Menschen ändern kann? Halten sich die Menschen nicht an die Überzeugung, die ihren Interessen dient, oder der Kultur entspricht, in der sie aufgewachsen sind?
SP: Are you saying that reason can actually change people's minds? Don't people just stick with whatever conviction serves their interests or conforms to the culture that they grew up in?
RNG: Das ist eine faszinierende Tatsache: Widersprüche ärgern uns, zumindest wenn wir damit konfrontiert werden, was bedeutet, dass wir empfänglich für Vernunft sind. Sieht man sich die Geschichte des moralischen Fortschritts an, dann lässt sich ein roter Faden erkennen, von vernünftigen Argumenten zu den Veränderungen in unserer Gefühlswelt. Von Zeit zu Zeit brachte ein Denker ein Argument hervor, warum irgendein Brauch unhaltbar, irrational und inkonsistent mit den bestehenden Werten sei. Ihre Aufsätze verbreiteten sich schnell, wurden in viele Sprachen übersetzt, wurden in Kneipen, Kaffeehäusern und Salons sowie bei Tischgesellschaften diskutiert und beeinflussten Entscheidungsträger, Gesetzgeber und die öffentliche Meinung. Schließlich wird es zu dem, was der gesunde Menschenverstand unter Anstand und Schicklichkeit versteht, und die Spuren des ursprünglichen Arguments, das uns soweit gebracht hat, werden verwischt. Wenige von uns haben das Bedürfnis, ein schlüssiges philosophisches Argument hervorzubringen, warum Sklaverei, öffentliche Hinrichtungen oder das Schlagen von Kindern falsch ist. Heutzutage fühlen sich die Dinge einfach falsch an. Aber diese Argumente mussten in vergangenen Jahrhunderten erst gemacht werden.
RNG: Here's a fascinating fact about us: Contradictions bother us, at least when we're forced to confront them, which is just another way of saying that we are susceptible to reason. And if you look at the history of moral progress, you can trace a direct pathway from reasoned arguments to changes in the way that we actually feel. Time and again, a thinker would lay out an argument as to why some practice was indefensible, irrational, inconsistent with values already held. Their essay would go viral, get translated into many languages, get debated at pubs and coffee houses and salons, and at dinner parties, and influence leaders, legislators, popular opinion. Eventually their conclusions get absorbed into the common sense of decency, erasing the tracks of the original argument that had gotten us there. Few of us today feel any need to put forth a rigorous philosophical argument as to why slavery is wrong or public hangings or beating children. By now, these things just feel wrong. But just those arguments had to be made, and they were, in centuries past.
SP: Wollen Sie damit sagen, dass die Menschen dafür Argumente brauchten, dass das Verbrennen von Ketzern auf dem Scheiterhaufen nicht richtig ist?
SP: Are you saying that people needed a step-by-step argument to grasp why something might be a wee bit wrong with burning heretics at the stake?
RNG: Ja, genau. Der französische Theologe Sebastian Castellio lieferte das Argument:
RNG: Oh, they did. Here's the French theologian Sebastian Castellio making the case.
SC: Calvin sagt, dass er sicher ist, und andere Sekten sagen das auch. Wer soll der Richter sein? Wenn kein Zweifel besteht, für wen ist das so? Für Calvin? Aber warum schreibt er dann so viele Bücher über die Wahrheit? Da wir unsicher sind, müssen wir Ketzer einfach als jemanden definieren, dem wir widersprechen. Wenn wir dann Ketzer töten, ist der logische Ausgang ein Vernichtungskrieg, da jeder sich sicher ist.
Sebastian Castellio: Calvin says that he's certain, and other sects say that they are. Who shall be judge? If the matter is certain, to whom is it so? To Calvin? But then, why does he write so many books about manifest truth? In view of the uncertainty, we must define heretics simply as one with whom we disagree. And if then we are going to kill heretics, the logical outcome will be a war of extermination, since each is sure of himself.
SP: Oder mit abscheulichen Strafen wie Rädern?
SP: Or with hideous punishments
RNG: Das Verbot von grausamen und ungewöhnlichen Strafen in unserer Verfassung war eine Reaktion auf ein Flugblatt, das 1746 zirkulierte und von dem italienischen Juristen Cesare Beccaria stammte.
like breaking on the wheel? RNG: The prohibition in our constitution of cruel and unusual punishments was a response to a pamphlet circulated in 1764
CB: Wenn Strafen immer grausamer werden, wird das menschliche Gemüt, das sich wie Flüssigkeiten immer an das Niveau der Gegenstände anpasst, die sie umgeben, härter und nach 100 Jahren grausamer Strafen jagt ihnen das Rädern nicht mehr Angst ein, als es das Gefängnis vorher tat. Damit eine Strafe ihr Ziel erreicht, ist es nur nötig, dass der Schaden, den sie anrichtet, den Nutzen des Verbrechens überwiegt, und zu dieser Berechnung gehört der Faktor der Gewissheit der Strafe und der Verlust des Guten, das das Verbrechen hervorbringt. Alles, was darüber hinausgeht, ist überflüssig, und folglich Tyrannei.
by the Italian jurist Cesare Beccaria. Cesare Beccaria: As punishments become more cruel, the minds of men, which like fluids always adjust to the level of the objects that surround them, become hardened, and after a hundred years of cruel punishments, breaking on the wheel causes no more fear than imprisonment previously did. For a punishment to achieve its objective, it is only necessary that the harm that it inflicts outweighs the benefit that derives from the crime, and into this calculation ought to be factored the certainty of punishment and the loss of the good that the commission of the crime will produce. Everything beyond this is superfluous, and therefore tyrannical.
SP: Aber sicherlich hingen Anti-Kriegsbewegungen von Massendemonstrationen, einprägsamen Melodien von Volkssängern und qualvollen Bildern von Menschen, die im Krieg starben, ab.
SP: But surely antiwar movements depended on mass demonstrations and catchy tunes by folk singers and wrenching photographs of the human costs of war.
RNG: Zweifellos, aber moderne Anti-Kriegsbewegungen reichen zurück bis zu einer langen Reihe von Denkern, die argumentierten, warum wir unsere Gefühle gegen den Krieg mobilisieren sollten, wie der Vater der Moderne, Erasmus.
RNG: No doubt, but modern anti-war movements reach back to a long chain of thinkers who had argued as to why we ought to mobilize our emotions against war, such as the father of modernity, Erasmus.
E: Die Vorteile des Friedens verbreiten sich nah und fern, und werden immer mehr, wenn aber im Krieg irgendetwas gut ausgeht, dann haben nur wenige einen Vorteil davon, und diese haben ihn nicht verdient. Die Sicherheit des einen folgt aus der Vernichtung eines anderen. Die Beute des einen kommt durch Raub an einem anderen. Was für den einen ein Anlass zur Freude ist, ist für den anderen ein Anlass zur Trauer. Alles, was am Krieg bedauerlich ist, ist tatsächlich sehr schlimm, und was daran Glück bedeutet, ist ein primitives und grausames Glück, ein kleinliches Glück, das auf dem Leid eines anderen beruht.
Erasmus: The advantages derived from peace diffuse themselves far and wide, and reach great numbers, while in war, if anything turns out happily, the advantage redounds only to a few, and those unworthy of reaping it. One man's safety is owing to the destruction of another. One man's prize is derived from the plunder of another. The cause of rejoicings made by one side is to the other a cause of mourning. Whatever is unfortunate in war, is severely so indeed, and whatever, on the contrary, is called good fortune, is a savage and a cruel good fortune,
SP: Aber jeder weiß, dass die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei von Glauben und Gefühl abhängig war. Die Quäker standen an der Spitze dieser Bewegung und sie wurde erst beliebt, als Harriet Beecher Stowes Roman "Onkel Toms Hütte" ein Bestseller wurde.
an ungenerous happiness deriving its existence from another's woe. SP: But everyone knows that the movement to abolish slavery depended on faith and emotion. It was a movement spearheaded by the Quakers, and it only became popular when Harriet Beecher Stowe's novel
RNG: Aber der Stein wurde bereits 100 Jahre zuvor ins Rollen gebracht.
"Uncle Tom's Cabin" became a bestseller.
John Locke widersetzte sich der jahrtausendealten Ansicht, die die Ausübung von Sklaverei als ganz natürlich ansah. Er argumentierte, es sei inkonsistent mit den Prinzipien einer rationalen Regierung.
RNG: But the ball got rolling a century before. John Locke bucked the tide of millennia that had regarded the practice as perfectly natural. He argued that it was inconsistent with the principles of rational government.
JL: Die Freiheit des Menschen unter einer Regierung bedeutet, nach festen Regeln zu leben, die für alle in der Gesellschaft gelten, und von der Legislative in ihr aufgestellt wurde; die Freiheit, bei allem meinem Willen zu folgen, wenn diese Regeln nichts vorschreiben, nicht Subjekt des inkonsistenten, ungewissen, unbekannten, willkürlichen Willens eines anderen zu sein, da Freiheit bedeutet, keinen Beschränkungen zu unterliegen, außer dem Gesetz der Natur.
John Locke: Freedom of men under government is to have a standing rule to live by common to everyone of that society and made by the legislative power erected in it, a liberty to follow my own will in all things where that rule prescribes not, not to be subject to the inconstant, uncertain, unknown, arbitrary will of another man, as freedom of nature is to be under no other restraint but the law of nature.
SP: Das kommt mir bekannt vor. Wo habe ich das zuvor gelesen? Ach, ja.
SP: Those words sound familiar. Where have I read them before? Ah, yes.
Mary Astell: Wenn absolute Souveränität in einem Staat nicht notwendig ist, warum dann in einer Familie? Oder wenn in einer Familie, warum nicht in einem Staat? Da für das eine kein Grund angeführt werden kann, der nicht noch mehr für das andere gilt; wenn alle Menschen frei geboren sind, wie kommt es dann, dass alle Frauen als Sklaven geboren sind, wie es sein muss, wenn sie dem inkonsistenten, ungewissen, unbekannten, willkürlichen Willen der Männer unterstehen, was eine ideale Bedingung für Sklaverei ist?
Mary Astell: If absolute sovereignty be not necessary in a state, how comes it to be so in a family? Or if in a family, why not in a state? Since no reason can be alleged for the one that will not hold more strongly for the other, if all men are born free, how is it that all women are born slaves, as they must be if being subjected to the inconstant, uncertain, unknown, arbitrary will of men be the perfect condition of slavery?
RNG: Diese Art Kooptation gehört zu den grundlegenden Aufgaben der Vernunft. Eine Bewegung für die Erweiterung von Rechten inspiriert eine andere, da die Logik die gleiche ist, und wenn das einmal klar ist, wird es zunehmend unangenehm, die Inkonsistenz zu ignorieren. In den 1960ern inspirierte die Bürgerrechtsbewegung die Bewegungen für die Rechte der Frauen, der Kinder, der Homosexuellen und sogar der Tiere. Aber ganze zwei Jahrhunderte zuvor hatte Jeremy Bentham, ein Denker der Aufklärung, die Unentschuldbarkeit von gängigen Praktiken wie dem grausamen Verhalten gegenüber Tieren offen ausgesprochen.
RNG: That sort of co-option is all in the job description of reason. One movement for the expansion of rights inspires another because the logic is the same, and once that's hammered home, it becomes increasingly uncomfortable to ignore the inconsistency. In the 1960s, the Civil Rights Movement inspired the movements for women's rights, children's rights, gay rights and even animal rights. But fully two centuries before, the Enlightenment thinker Jeremy Bentham had exposed the indefensibility of customary practices such as the cruelty to animals.
JB: Die Frage ist nicht, ob sie schlussfolgern oder reden können, sondern ob sie leiden können.
Jeremy Bentham: The question is not, can they reason, nor can they talk, but can they suffer?
RNG: Und die Verfolgung von Homosexuellen.
RNG: And the persecution of homosexuals.
JB: Stellt man die Frage nach dem Schaden, so wird klar, dass es bei niemandem Schmerz verursacht. Ganz im Gegenteil, es bringt Freude. Beide Partner sind gewillt. Wenn nur einer gewillt ist, ist es ein Vergehen, völlig anders in der Auswirkung. Es ist eine persönliche Verletzung, eine Art Vergewaltigung. Die Gefahr, abgesehen vom Schmerz, besteht, wenn überhaupt, darin, ein Beispiel zu sein. Aber wofür ist es ein Beispiel? Andere zu veranlassen, es ihnen gleich zu tun. Aber dieses Handeln verursacht keinerlei Schmerz bei niemandem.
JB: As to any primary mischief, it's evident that it produces no pain in anyone. On the contrary, it produces pleasure. The partners are both willing. If either of them be unwilling, the act is an offense, totally different in its nature of effects. It's a personal injury. It's a kind of rape. As to the any danger exclusive of pain, the danger, if any, much consist in the tendency of the example. But what is the tendency of this example? To dispose others to engage in the same practices. But this practice produces not pain of any kind to anyone.
SP: Jedenfalls hat es mindestens ein Jht. gedauert, bis die Argumente dieser großen Denker durchgesickert und beim Volk als Ganzes angekommen sind. Das regt zum Nachdenken über unsere Zeit an. Gibt es Handlungen, die wir ausüben, gegen die es offensichtliche, für alle erkennbare Argumente gibt,
SP: Still, in every case, it took at least a century for the arguments of these great thinkers to trickle down and infiltrate the population as a whole. It kind of makes you wonder about our own time. Are there practices that we engage in where the arguments against them are there for all to see
aber dennoch bestehen wir auf sie?
but nonetheless we persist in them?
RNG: Werden unsere Urenkel, wenn sie auf uns zurückblicken, genauso über manche unserer Praktiken entsetzt sein, wie wir über unsere Sklaven besitzenden, Ketzer verbrennenden, Ehefrauen schlagenden, Homosexuelle verfolgenden Ahnen?
RNG: When our great grandchildren look back at us, will they be as appalled by some of our practices as we are by our slave-owning, heretic-burning, wife-beating, gay-bashing ancestors?
SP: Ich bin sicher, dass jedem hier ein Beispiel einfällt.
SP: I'm sure everyone here could think of an example.
RNG: Ich nenne die schlechte Behandlung von Tieren auf Tierfarmen.
RNG: I opt for the mistreatment of animals in factory farms.
SP: Die Verhaftung friedlicher Drogenkonsumenten und die Duldung von Verwaltigungen in Gefängnissen.
SP: The imprisonment of nonviolent drug offenders and the toleration of rape in our nation's prisons.
RNG: Das zögerliche Spenden für lebensrettende Organisationen in Entwicklungsländern.
RNG: Scrimping on donations to life-saving charities in the developing world.
SP: Der Besitz von Atomwaffen.
SP: The possession of nuclear weapons.
RNG: Der Aufruf an Religion, das ansonsten nicht zu Rechtfertigende zu rechtfertigen, wie das Verhütungsverbot.
RNG: The appeal to religion to justify the otherwise unjustifiable, such as the ban on contraception.
SP: Was ist mit Religion im Allgemeinen?
SP: What about religious faith in general?
RNG: Äh, das kann dauern.
RNG: Eh, I'm not holding my breath.
SP: Dennoch bin ich überzeugt, dass die Vernunft ein "besserer Engel" ist, der die größte Anerkennung verdient für den moralischen Fortschritt, den wir genießen, und der unsere größte Hoffnung für zukünftigen weiteren moralischen Fortschritt ist.
SP: Still, I have become convinced that reason is a better angel that deserves the greatest credit for the moral progress our species has enjoyed and that holds out the greatest hope for continuing moral progress in the future.
RNG: Und wenn Sie, liebe Freunde, einen Fehler in diesem Argument finden, dann erinnern Sie sich daran, dass Sie der Vernunft bedürfen, um ihn aufzuzeigen.
RNG: And if, our friends, you detect a flaw in this argument, just remember you'll be depending on reason to point it out.
Vielen Dank. SP: Vielen Dank.
Thank you. SP: Thank you.
(Applaus)
(Applause)