Wir sehen mit den Augen. Aber ebenso sehen wir mit dem Gehirn. Und das Sehen mit dem Gehirn wird oft als Phantasie bezeichnet. Und die Landschaften unserer Phantasie sind uns vertraut. Wir verbringen unser ganzes Leben mit ihnen. Aber es gibt auch Halluzinationen. Und Halluzinationen sind völlig anders. Sie scheinen nicht unsere eigene Schöpfung zu sein. Wir können sie anscheinend nicht kontrollieren. Sie scheinen von außen zu kommen, und sie imitieren scheinbar die reale Wahrnehmung.
We see with the eyes, but we see with the brain as well. And seeing with the brain is often called imagination. And we are familiar with the landscapes of our own imagination, our inscapes. We've lived with them all our lives. But there are also hallucinations as well. And hallucinations are completely different. They don't seem to be of our creation. They don't seem to be under control. They seem to come from the outside and to mimic perception. So I am going to be talking about hallucinations
Ich werde also über Halluzinationen sprechen. Und zwar über eine besondere Form von visuellen Halluzinationen, die bei meinen Patienten auftritt. Vor ein paar Monaten bekam ich einen Anruf aus einem Pflegeheim, in dem ich arbeite. Sie sagten mir, dass eine der Bewohnerinnen, eine über 90 Jahre alte Dame, Dinge sah. Und sie haben sich gefragt, ob sie jetzt übergeschnappt ist. Oder, weil sie ja eine alte Dame war, ob sie einen Schlaganfall oder Alzheimer hatte.
and a particular sort of visual hallucination, which I see among my patients. A few months ago, I got a phone call from a nursing home where I work. They told me that one of their residents, an old lady in her 90s, was seeing things, and they wondered if she'd gone bonkers or, because she was an old lady, whether she'd had a stroke, or whether she had Alzheimer's.
Also fragten Sie mich, ob ich kommen und einen Blick auf Rosalie, die alte Dame, werfen könnte. Ich ging also hin. Es war sofort klar, dass Sie geistig völlig gesund, bei klarem Verstand und recht intelligent war. Aber sie war ziemlich erschrocken und verwirrt weil sie etwas gesehen hatte. Und sie sagte mir -- das hatten die Schwestern nicht erwähnt -- dass sie blind war, völlig blind aufgrund einer Makuladegeneration, seit fünf Jahren. Aber jetzt, seit einigen Tagen, hatte sie wieder etwas gesehen.
And so they asked me if I would come and see Rosalie, the old lady. I went in to see her. It was evident straightaway that she was perfectly sane and lucid and of good intelligence, but she'd been very startled and very bewildered, because she'd been seeing things. And she told me -- the nurses hadn't mentioned this -- that she was blind, that she had been completely blind from macular degeneration for five years. But now, for the last few days, she'd been seeing things.
Also fragte ich: "Was haben Sie gesehen?" Und sie sagte: "Leute in orientalischer Kleidung, im Schleier, die Treppen auf und ab gehen. Ein Mann dreht sich zu mir um und lächelt. Aber er hat auf einer Seite seines Mundes riesige Zähne. Und auch Tiere. Ich sehe ein weißes Gebäude. Es schneit weichen Schnee. Ich sehe dieses Pferd mit Geschirr, das den Schnee wegzieht. Und eines Nachts ändern sich die Bilder. Ich sehe Katzen und Hunde auf mich zukommen. Sie kommen bis zu einer bestimmten Stelle und bleiben dann stehen. Dann verändert es sich wieder. Ich sehe viele Kinder. Sie gehen Treppen auf und ab. Sie sind leuchtend bunt gekleidet, rosa und blau, wie im Orient."
So I said, "What sort of things?" And she said, "People in Eastern dress, in drapes, walking up and down stairs. A man who turns towards me and smiles, but he has huge teeth on one side of his mouth. Animals too. I see a white building. It's snowing, a soft snow. I see this horse with a harness, dragging the snow away. Then, one night, the scene changes. I see cats and dogs walking towards me. They come to a certain point and then stop. Then it changes again. I see a lot of children. They're walking up and down stairs. They wear bright colors, rose and blue, like Eastern dress."
Manchmal, so sagte sie, sind es vor den Leuten rosa und blaue Quadrate auf dem Boden, die sie halluziniert, und die scheinen zur Decke hinaufzugehen. Ich sagte: "Ist das so wie ein Traum?" Und sie sagte: "Nein, es ist nicht wie ein Traum. Es ist wie ein Film." Sie sagte: "Es ist in Farbe. Es bewegt sich. Aber es ist ganz still, wie ein Stummfilm." Und sie sagte, dass es ein ziemlich langweiliger Film ist. Sie sagte: "Diese ganzen Leute in orientalischer Kleidung, die rauf und runter laufen - immer das Gleiche, ziemlich dröge." (Gelächter)
Sometimes, she said, before the people come on, she may hallucinate pink and blue squares on the floor, which seem to go up to the ceiling. I said, "Is this like a dream?" And she said, "No, it's not like a dream. It's like a movie." She said, "It's got color. It's got motion. But it's completely silent, like a silent movie." And she said it's a rather boring movie. (Laughter) She said, "All these people with Eastern dress, walking up and down, very repetitive, very limited." (Laughter)
Und sie hatte Sinn für Humor. Sie wusste, dass es eine Halluzination war. Aber sie hatte Angst. Sie war 95 Jahre alt und hatte noch nie zuvor Halluzinationen. Sie sagte, dass die Halluzinationen überhaupt nichts damit zu tun hatten, was sie dachte, fühlte oder tat. Dass sie ganz von selbst zu kommen und zu gehen schienen. Sie konnte sie nicht kontrollieren. Sie sagte, sie würde keinen der Menschen oder Orte in den Halluzinationen erkennen. Und keiner der Menschen und keins der Tiere, naja, sie schienen sie gar nicht zu bemerken. Und sie wusste nicht, was los war. Sie fragte sich, ob sie verrückt wurde oder den Verstand verlor.
And she had a sense of humor. She knew it was a hallucination, but she was frightened. She had lived 95 years, and she'd never had a hallucination before. She said that the hallucinations were unrelated to anything she was thinking or feeling or doing, that they seemed to come on by themselves, or disappear. She had no control over them. She said she didn't recognize any of the people or places in the hallucinations, and none of the people or the animals -- well, they all seemed oblivious of her. And she didn't know what was going on. She wondered if she was going mad or losing her mind.
Ich untersuchte sie also eingehend. Sie war eine aufgeweckte alte Dame. Geistig völlig klar. Sie hatte keine medizinischen Probleme. Sie nahm keinerlei Medikamente, die Halluzinationen hervorrufen konnten. Aber sie war blind. Und dann sagte ich zu ihr: "Ich glaube, ich weiß, was sie haben." Ich sagte, "Es gibt eine besondere Form visueller Halluzinationen, die mit nachlassender Sehfähigkeit oder Blindheit einhergehen." "Ursprünglich", sagte ich, "wurden sie schon im 18. Jahrhundert von einem Mann namens Charles Bonnet beschrieben. Und sie haben das Charles-Bonnet-Syndrom. Mit Ihrem Gehirn ist alles in Ordnung. Mit Ihrem Verstand ist alles in Ordnung. Sie haben das Charles-Bonnet-Syndrom."
Well, I examined her carefully. She was a bright old lady, perfectly sane. She had no medical problems. She wasn't on any medications which could produce hallucinations. But she was blind. And I then said to her, "I think I know what you have." I said, "There is a special form of visual hallucination which may go with deteriorating vision or blindness. This was originally described," I said, "right back in the 18th century, by a man called Charles Bonnet. And you have Charles Bonnet syndrome. There's nothing wrong with your brain. There's nothing wrong with your mind. You have Charles Bonnet syndrome."
Und sie war sehr erleichtert darüber, dass es kein ernstes Problem war, und außerdem sehr neugierig. Sie fragte: "Wer ist dieser Charles Bonnet?" Sie sagte: "Hatte er das selbst auch?" Und sie sagte: "Sagen sie allen Schwestern, dass ich das Charles-Bonnet-Syndrom habe." (Gelächter) "Ich bin nicht verrückt. Ich bin nicht verkalkt. Ich habe das Charles-Bonnet-Syndrom. Also sagte ich den Schwestern das.
And she was very relieved at this, that there was nothing seriously the matter, and also rather curious. She said, "Who is this Charles Bonnet?" She said, "Did he have them himself?" And she said, "Tell all the nurses that I have Charles Bonnet syndrome." (Laughter) "I'm not crazy. I'm not demented. I have Charles Bonnet syndrome." Well, so, I did tell the nurses.
Nun, für mich ist das eine alltägliche Situation. Ich arbeite fast ständig in Altersheimen. Ich treffe eine Menge alte Leute, die hör- oder sehbehindert sind. Etwa zehn Prozent der Hörbehinderten haben musikalische Halluzinationen. Und etwa zehn Prozent der Sehbehinderten haben visuelle Halluzinationen. Man muss nicht völlig blind sein, nur hinreichend behindert.
Now this, for me, is a common situation. I work in old-age homes, largely. I see a lot of elderly people who are hearing-impaired or visually impaired. About 10 percent of the hearing-impaired people get musical hallucinations. And about 10 percent of the visually impaired people get visual hallucinations. You don't have to be completely blind, only sufficiently impaired.
Was die erste Beschreibung im 18. Jahrhundert angeht, so hatte Charles Bonnet sie nicht. Sein Großvater hatte diese Halluzinationen. Sein Großvater war ein Beamter, ein älterer Herr. Er war wegen seines grauen Stars operiert worden. Er sah ziemlich schlecht. Und im Jahre 1759 beschrieb er seinem Enkel verschiedene Dinge, die er sah.
Now, with the original description in the 18th century, Charles Bonnet did not have them. His grandfather had these hallucinations. His grandfather was a magistrate, an elderly man. He'd had cataract surgery. His vision was pretty poor. And in 1759, he described to his grandson various things he was seeing.
Das Erste, was er sah, war ein schwebendes Taschentuch. Es war ein großes blaues Taschentuch mit vier orangen Kreisen. Und er wusste, dass es eine Halluziantion war. Taschentücher schweben nicht einfach so herum. Und dann sah er ein große, schwebendes Rad. Aber manchmal war er nicht sicher, ob er halluzinierte oder nicht. Denn die Halluzinationen passten zum Kontext dessen, was er sah. Einmal zum Beispiel, als seine Enkelinnen ihn besuchten, sagte er: "Und wer sind diese gutaussehenden jungen Männer?" Und sie sagten: "Ach, Opa, es sind leider keine gutaussehenden jungen Männer da." Und da verschwanden die jungen Männer. Es ist typisch für diese Halluzinationen dass sie schlagartig kommen und gehen können. Sie blenden sich nicht langsam ein oder aus. Sie kommen ziemlich plötzlich. Und sie verändern sich unvermittelt.
The first thing he said was he saw a handkerchief in midair. It was a large blue handkerchief with four orange circles. And he knew it was a hallucination. You don't have handkerchiefs in midair. And then he saw a big wheel in midair. But sometimes he wasn't sure whether he was hallucinating or not, because the hallucinations would fit in the context of the visions. So on one occasion, when his granddaughters were visiting them, he said, "And who are these handsome young men with you?" (Laughter) And they said, "Alas, Grandpapa, there are no handsome young men." And then the handsome young men disappeared. It's typical of these hallucinations that they may come in a flash and disappear in a flash. They don't usually fade in and out. They are rather sudden, and they change suddenly.
Charles Lullin, der Großvater, sah hunderte verschiedener Gestalten, viele verschiedene Landschaften. Einmal sah er einen Mann im Bademantel, der eine Pfeife rauchte, und erkannte, dass er sich selbst sah. Das war die einzige Gestalt, die er erkannte. Während er einmal durch die Straßen von Paris ging, sah er – das war real – ein Gerüst. Aber als er zurück nach Hause kam, sah er ein 15 Zentimeter hohes Modell des Gerüsts auf seinem Schreibtisch. Diese Wiederholung der Wahrnehmung wird manchmal Palinopsie genannt.
Charles Lullin, the grandfather, saw hundreds of different figures, different landscapes of all sorts. On one occasion, he saw a man in a bathrobe smoking a pipe, and realized it was himself. That was the only figure he recognized. On one occasion, when he was walking in the streets of Paris, he saw -- this was real -- a scaffolding. But when he got back home, he saw a miniature of the scaffolding, six inches high, on his study table. This repetition of perception is sometimes called "palinopsia."
Was bei ihm und bei Rosalie, anscheinend passiert – und Rosalie fragte: "Was passiert da?" – und ich sagte, dass, wenn man die Sehkraft verliert, wenn die Sehzentren im Gehirn keine Signale mehr bekommen, dass sie hyperaktiv und erregbar werden. Und sie fangen an, spontan zu feuern. Und man fängt an, Dinge zu sehen. Die Dinge, die man sieht, können sogar recht kompliziert sein.
With him and with Rosalie, what seems to be going on -- and Rosalie said, "What's going on?" -- and I said that as you lose vision, as the visual parts of the brain are no longer getting any input, they become hyperactive and excitable, and they start to fire spontaneously. And you start to see things. The things you see can be very complicated indeed.
Bei einer meiner anderen Patienteninnen, die, [genau wie Charles Lullin noch] etwas Sehkraft besaß, konnten die Visionen beunruhigend sein. Einmal sagte sie, sie sähe einen Mann in einem gestreiften Hemd in einem Restaurant. Und er drehte sich um. Und dann teilte er sich in sechs identische Männer in gestreiften Hemden, die auf sie zu kamen. Und dann vereinigten sich die sechs Männer wieder, wie eine Ziehharmonika. Als sie einmal mit dem Auto fuhr, das heißt, natürlich fuhr ihr Ehemann, teilte sich die Straße in vier Teile. Und sie spürte, wie sie gleichzeitig vier Straßen entlangfuhr.
With another patient of mine who also had some vision, the visions she had could be disturbing. On one occasion, she said she saw a man in a striped shirt in a restaurant. And he turned round, and then he divided into six figures in striped shirts, who started walking towards her. And then the six figures came together, like a concertina. Once, when she was driving, or rather, her husband was driving, the road divided into four and she felt herself going simultaneously up four roads.
Sie hatte auch sehr mobile Halluzinationen. Viele davon hatten mit Autos zu tun. Manchmal sah sie einen jungen Burschen auf der Kühlerhaube des Autos sitzen. Er war sehr beharrlich und bewegte sich ziemlich geschickt wenn das Auto in eine Kurve fuhr. Und dann, wenn sie stehen blieben, flog der Junge plötzlich senkrecht nach oben, 30 Meter hoch, und verschwand.
She had very mobile hallucinations as well. A lot of them had to do with a car. Sometimes she would see a teenage boy sitting on the hood of the car. He was very tenacious, and he moved rather gracefully when the car turned. And then when they came to a stop, the boy would do a sudden vertical takeoff, 100 foot in the air, and then disappear.
Eine andere Patientin von mir hatte Halluzinationen anderer Art. Diese Frau hatte keine Probleme mit den Augen, sondern mit den Sehzentren ihres Gehirns. Ein kleiner Tumor im Okzipitallappen. Und das Beste war, dass sie Cartoons sah. Diese Cartoons waren durchsichtig und nahmen die Hälfte ihres Sichtfeldes ein, wie eine Leinwand. Und insbesondere sah sie Cartoons mit Kermit dem Frosch. (Gelächter) Also, ich schaue kaum Sesamstraße. Aber sie sagte immer wieder: "Warum Kermit?" Sie sagte: "Kermit der Frosch bedeutet mir nichts. Wissen sie, ich habe über freudsche Einflüsse nachgedacht. Warum Kermit? Kermit der Frosch bedeutet mir gar nichts."
Another patient of mine had a different sort of hallucination. This was a woman who didn't have trouble with her eyes but the visual parts of her brain, a little tumor in the occipital cortex. And, above all, she would see cartoons. And these cartoons would be transparent, and would cover half the visual field, like a screen. And especially, she saw cartoons of Kermit the Frog. (Laughter) Now, I don't watch Sesame Street, but she made a point of saying, "Why Kermit?" she said, "Kermit the Frog means nothing to me." You know, I was wondering about Freudian determinants: Why Kermit? "Kermit the Frog means nothing to me."
Die Cartoons störten sie nicht besonders. Aber was sie beunruhigte, war, dass sie recht hartnäckige Bilder oder Halluzinationen von Gesichtern sah, und wie bei Rosalie waren die Gesichter oft entstellt, mit riesigen Zähnen oder riesigen Augen. Und die machten ihr Angst. Also, was ist nun los mit diesen Leuten? Als Mediziner habe ich versucht, zu bestimmen, was da passiert, und die Leute dadurch zu beruhigen. Vor allem wollte ich ihnen klar machen, dass sie nicht verrückt wurden.
She didn't mind the cartoons too much. But what did disturb her was she got very persistent images or hallucinations of faces, and as with Rosalie, the faces were often deformed, with very large teeth or very large eyes. And these frightened her. Well, what is going on with these people? As a physician, I have to try and define what's going on and to reassure people, especially to reassure them that they're not going insane.
Wie ich schon sagte: Etwa zehn Prozent der sehbehinderten Menschen haben diese Halluzinationen. Aber höchstens ein Prozent gibt das zu. Weil sie Angst haben, dass man sie für verrückt hält oder sowas. Und wenn sie mit ihren Ärzten davon sprechen, könnten sie falsch diagnostiziert werden.
Something like 10 percent, as I said, of visually impaired people get these. But no more than one percent of the people acknowledge them, because they are afraid they will be seen as insane or something. And if they do mention them to their own doctors, they may be misdiagnosed.
Allgemein meint man eben, wenn jemand Dinge sieht oder hört, dann wird er verrückt. Aber psychotische Halluzinationen sind ganz anders. Psychotische Halluzinationen, ob sie nun visuell sind oder auditiv, sprechen dich an. Sie klagen dich an. Sie verführen dich. Sie demütigen dich. Sie verspotten dich. Man interagiert mit ihnen. Diese Eigenschaften eines Dialogs gibt es bei diesen Charles-Bonnet-Halluzinationen nicht. Es ist ein Film. Man sieht einen Film, der nichts mit einem selbst zu tun hat. Jedenfalls empfinden die Leute das so.
In particular, the notion is that if you see things or hear things, you're going mad. But the psychotic hallucinations are quite different. Psychotic hallucinations, whether they are visual or vocal, they address you. They accuse you, they seduce you, they humiliate you, they jeer at you. You interact with them. There is none of this quality of being addressed with these Charles Bonnet hallucinations. There is a film. You're seeing a film which has nothing to do with you -- or that's how people think about it.
Es gibt auch eine seltene Sache namens Temporallappenepilepsie. Und manchmal, wenn man das hat, dann fühlt man sich an einen Ort in der Vergangenheit zurückversetzt. Man steht an einer bestimmten Straßenkreuzung. Man riecht Röstkastanien. Man hört den Verkehrslärm. Alle Sinne sind beteiligt. Und man wartet auf seine Freundin. Und es ist dieser Dienstagabend im Jahr 1982. Und die Temporallappenhalluzinationen sind immer multisensorische Halluzinationen, voller Gefühl, voller Vertrautheit, in Raum und Zeit genau bestimmt, schlüssig, dramatisch. Bei Charles Bonnet ist das ganz anders.
There is also a rare thing called temporal lobe epilepsy, and sometimes, if one has this, one may feel oneself transported back to a time and place in the past. You're at a particular road junction. You smell chestnuts roasting. You hear the traffic. All the senses are involved. And you're waiting for your girl. And it's that Tuesday evening back in 1982. The temporal lobe hallucinations are all sense hallucinations, full of feeling, full of familiarity, located in space and time, coherent, dramatic. The Charles Bonnet ones are quite different.
Bei den Charles-Bonnet-Halluzinationen gibt es verschiedene Ebenen, von den geometrischen Halluzinationen, den rosa und blauen Quadraten, die die Frau sah, bis hin zu ziemlich komplexen Halluzinationen mit Personen und insbesondere Gesichtern. Gesichter, und manchmal entstellte Gesichter, sind das, was in diesen Halluzinationen am häufigsten auftritt. Und mit die zweithäufigsten sind Cartoons.
In the Charles Bonnet hallucinations, you have all sorts of levels, from the geometrical hallucinations -- the pink and blue squares the woman had -- up to quite elaborate hallucinations with figures and especially faces. Faces, and sometimes deformed faces, are the single commonest thing in these hallucinations. And one of the second commonest is cartoons.
Also, was passiert da? Faszinierenderweise ist es seit einigen Jahren möglich, Gehirnfunktionen bildlich darzustellen, und man kann das fMRI-Verfahren bei halluzinierenden Menschen anwenden. Und so findet man heraus, dass verschiedene Teile des Sehzentrums aktiviert werden während sie halluzinieren. Wenn die Leute diese einfachen geometrische Halluzinationen haben, ist die primäre visuelle Rinde aktiv. Das ist der Teil des Gehirns, der Kanten und Muster wahrnimmt. In der primären visuellen Rinde entstehen noch keine Bilder.
So, what is going on? Fascinatingly, in the last few years, it's been possible to do functional brain imagery, to do fMRI on people as they are hallucinating, and, in fact, to find that different parts of the visual brain are activated as they are hallucinating. When people have these simple, geometrical hallucinations, the primary visual cortex is activated. This is the part of the brain which perceives edges and patterns. You don't form images with your primary visual cortex.
Wenn Bilder entstehen, ist ein höherer Bereich des visuellen Cortex im Temporallappen beteiligt. Ein spezieller Bereich des Temporallappens wird als Gyrus fusiformis bezeichnet. Und man weiß, dass Menschen, deren Gyrus fusiformis beschädigt ist, manchmal die Fähigkeit verlieren, Gesichter zu erkennen. Aber wenn es abnorme Aktivität im Gyrus fusiformis gibt, dann kann man Gesichter halluzinieren. Und genau das stellt man bei manchen dieser Menschen fest. Es gibt einen Bereich im anterioren Teil dieses Gyrus, in dem Zähne und Augen repräsentiert werden. Und dieser Teil des Gyrus ist aktiv, wenn die Leute die entstellten Halluzinationen haben.
When images are formed, a higher part of the visual cortex is involved, in the temporal lobe. And in particular, one area of the temporal lobe is called the fusiform gyrus. And it's known that if people have damage in the fusiform gyrus, they may lose the ability to recognize faces. But if there's an abnormal activity in the fusiform gyrus, they may hallucinate faces, and this is exactly what you find in some of these people. There is an area in the anterior part of this gyrus where teeth and eyes are represented, and that part of the gyrus is activated when people get the deformed hallucinations.
Es gibt einen weiteren Bereich des Gehirns, der dann besonders aktiv ist, wenn man Cartoons sieht. Er ist aktiv, wenn man Cartoons erkennt, wenn man Cartoons zeichnet und wenn man sie halluziniert. Das ist ziemlich interessant, dass das eine spezielle Gehirnfunktion ist. Es gibt andere Gehirnbereiche, die besonders an der Erkennung und Halluzination von Gebäuden und Landschaften beteiligt sind.
There is another part of the brain which is especially activated when one sees cartoons. It's activated when one recognizes cartoons, when one draws cartoons and when one hallucinates them. It's very interesting that that should be specific. There are other parts of the brain which are specifically involved with the recognition and hallucination of buildings and landscapes. Around 1970, it was found that there were not only parts of the brain,
Ungefähr 1970 hat man herausgefunden, dass nicht nur bestimmte Gehirnbereiche, sondern bestimmte Zellen [beteiligt sind]. "Gesichtsneuronen" wurden um 1970 entdeckt. Und heute wissen wir, dass es hunderte anderer Arten von Zellen gibt, die sehr sehr spezifische Aufgaben haben können. Man kann also nicht nur "Autoneuronen" haben, man hat vielleicht "Aston-Martin-Neuronen" (Gelächter) Ich habe heute früh einen Aston Martin gesehen. Ich musste ihn unterbringen. Und jetzt ist er irgendwo da drin. (Gelächter)
but particular cells. "Face cells" were discovered around 1970. And now we know that there are hundreds of other sorts of cells, which can be very, very specific. So you may not only have "car" cells, you may have "Aston Martin" cells. (Laughter) I saw an Aston Martin this morning. I had to bring it in. (Laughter) And now it's in there, somewhere. So --
Also, auf dieser Ebene, im sogenannten inferotemporalen Kortex, gibt es nur visuelle Bilder oder Phantasien oder Fragmente. Erst auf den höheren Ebenen kommen die anderen Sinne dazu, und es werden Verbindungen zu Erinnerungen und Emotionen hergestellt. Und beim Charles-Bonnet-Syndrom erreicht man diese höheren Ebenen nicht. Man bleibt auf der Ebenen des inferioren visuellen Cortex, wo es tausende, abertausende, Millionen von Bildern, Phantasien, Fragmenten von Phantasien gibt, alle neuronal codiert in bestimmten Zellen oder kleinen Zellhaufen.
(Laughter) now, at this level, in what's called the inferotemporal cortex, there are only visual images, or figments or fragments. It's only at higher levels that the other senses join in and there are connections with memory and emotion. And in the Charles Bonnet syndrome, you don't go to those higher levels. You're in these levels of inferior visual cortex, where you have thousands and tens of thousands and millions of images, or figments or fragmentary figments, all neurally encoded in particular cells or small clusters of cells.
Normalerweise sind alle ein Teil des zusammenhängenden Stroms der Wahrnehmung oder Imagination. Und man ist sich ihrer Existenz nicht bewusst. Nur wenn man sehbehindert oder blind ist wird der Prozess unterbrochen. Und statt normaler Wahrnehmung bekommt man eine anarchische, krampfhafte Stimulation oder Entlastung all dieser visuellen Zellen im inferotemporalen Cortex. Also sieht man plötzlich ein Gesicht. Plötzlich sieht man ein Auto. Plötzlich dies, plötzlich jenes. Der Verstand tut sein bestes, das alles zu organisieren und in irgend einen Zusammenhang zu bringen. Aber er hat nicht besonders viel Erfolg.
Normally, these are all part of the integrated stream of perception, or imagination, and one is not conscious of them. It is only if one is visually impaired or blind that the process is interrupted. And instead of getting normal perception, you're getting an anarchic, convulsive stimulation, or release, of all of these visual cells in the inferotemporal cortex. So, suddenly, you see a face. Suddenly, you see a car. Suddenly this and suddenly that. The mind does its best to organize and to give some sort of coherence to this, but not terribly successfully.
Als das zuerst beschrieben wurde dachte man, dass man es vielleicht wie Träume interpretieren könnte. Aber die Leute sagten, "Ich erkenne die Leute nicht. Ich kann keine Assoziation erstellen." "Kermit bedeutet mir nichts." Es führt zu nichts, wenn man das als Träume betrachtet.
When these were first described, it was thought that they could be interpreted like dreams. But, in fact, people say, "I don't recognize the people. I can't form any associations. Kermit means nothing to me." You don't get anywhere, thinking of them as dreams.
Nun, ich habe mehr oder weniger gesagt, was ich sagen wollte. Ich glaube, ich will nur nochmal rekapitulieren und sagen: Das ist etwas sehr häufiges. Denken sie daran, wie viele blinde Menschen es gibt. Es muss hunderttausende blinder Menschen geben, die diese Halluzinationen haben, aber sich nicht trauen, darüber zu sprechen. Diese Sache muss also bekannter gemacht werden, unter Patienten, unter Ärzten, in der Öffentlichkeit. Abschließend denke ich, es ist etwas unendlich interessantes und wertvolles, das uns dabei hilft, zu verstehen, wie das Gehirn funktioniert.
Well, I've more or less said what I wanted. I think I just want to recapitulate and say this is common. Think of the number of blind people. There must be hundreds of thousands of blind people who have these hallucinations but are too scared to mention them. So this sort of thing needs to be brought into notice, for patients, for doctors, for the public. Finally, I think they are infinitely interesting and valuable, for giving one some insight as to how the brain works.
Charles Bonnet hat vor 250 Jahren gesagt – er fragte sich angesichts dieser Halluzinationen, wie, wie er es nannte, das Theater des Geistes durch die Maschinerie des Gehirns erschaffen werden konnte. Jetzt, 250 Jahre später, bekommen wir, glaube ich, einen flüchtigen Eindruck, wie das geht. Vielen herzlichen Dank.
Charles Bonnet said, 250 years ago -- he wondered how, thinking of these hallucinations, how, as he put it, the theater of the mind could be generated by the machinery of the brain. Now, 250 years later, I think we're beginning to glimpse how this is done. Thanks very much.
(Applaus)
(Applause)
Chris Anderson: Das war großartig. Haben Sie vielen Dank. Sie sprechen mit so viel Einblick und Mitgefühl für ihre Patienten von diesen Dingen. Haben Sie die Syndrome, über die sie schreiben auch selbst erlebt?
Chris Anderson: That was superb. Thank you so much. You speak about these things with so much insight and empathy for your patients. Have you yourself experienced any of the syndromes you write about?
Oliver Sacks: Ich habe befürchtet, dass sie das fragen. (Gelächter) Nun, ja, viele davon. Und ich bin tatsächlich selbst ein bisschen sehbehindert. Ich bin auf einem Auge blind, und das andere ist auch nicht besonders gut. Und ich sehe die geometrischen Halluzinationen. Aber da hört es schon auf.
Oliver Sacks: I was afraid you would ask that. (Laughter) Well, yeah, a lot of them. And, actually, I'm a little visually impaired myself. I'm blind in one eye and not terribly good in the other. And I see the geometrical hallucinations. But they stop there.
C.A.: Und sie beunruhigen Sie nicht? Weil sie verstehen, wo sie herkommen. Sie machen ihnen keine Sorgen?
CA: And they don't disturb you? Because you understand what's doing it, it doesn't make you worried?
Naja, sie beunruhigen mich nicht mehr als mein Tinnitus. Den ich ignoriere. Manchmal finde ich sie interessant. Und ich habe viele Bilder davon in meinen Notizbüchern. Ich habe auch schon ein fMRI von mir selbst gemacht, um zu sehen, wie mein visueller Cortex die Kontrolle übernimmt. Und wenn ich all diese Sechsecke und komplexen Formen sehe, die ich auch habe, bei einer Migräne, dann frage ich mich, ob jeder solche Sachen sieht und ob Dinge wie Höhlenmalerei oder ornamentale Kunst vielleicht ein bisschen davon abgeleitet sind.
OS: Well, they don't disturb me any more than my tinnitus, which I ignore. They occasionally interest me, and I have many pictures of them in my notebooks. I've gone and had an fMRI myself, to see how my visual cortex is ticking over. And when I see all these hexagons and complex things, which I also have, in visual migraine, I wonder whether everyone sees things like this and whether things like cave art or ornamental art may have been derived from them a bit.
C.A.: Das war ein absolut faszinierender Vortrag. Vielen Dank, dass Sie bei uns waren.
CA: That was an utterly, utterly fascinating talk. Thank you so much for sharing.
O.S.: Danke. Vielen Dank. (Applaus)
OS: Thank you. Thank you. (Applause)