Hier ist eine Möglichkeit, darüber zu sprechen, was die Pandemie, die Welt nach 2020, in Gang gesetzt hat. Wir alle suchten eine Zeitlang den Boden unter unseren Füßen. Wir erinnerten uns, dass der Boden unter unseren Füßen nie so fest ist, wie wir glauben. Wir erinnerten uns, dass sich die Zivilisation um etwas so Zerbrechliches wie Körper dreht, die in der Nähe anderer Körper atmen. Wir wurden weicher. Abgründe wurden unsichtbar – zwischen der Art, wie wir lebten, und unseren tiefsten Sehnsüchten nach all unseren Kindern und den höchsten Potenzialen für menschliches Gedeihen.
Here is one way to begin to talk about what the pandemic, the post-2020 world, began to set in motion. All together, for a time, we felt for the ground beneath our feet. We remembered that the ground beneath our feet is never as solid as we believe it to be. We remembered that civilization revolves around something so tender as bodies breathing in proximity to other bodies. We softened. Chasms became un-unseeable. Between the ways we've been living and our deepest longings for all of our children and the highest potentials for human flourishing.
Wie können wir uns also auf das einlassen, was uns gegeben wurde, um zu sehen, wie wir lernen und wachsen können?
So how to step into what we have been given to see, how we have been given to learn and to grow.
Ich blicke zurück auf 20 Jahre, in denen ich der Welt zuhörte und in Radio- und Podcastgesprächen weisen und würdigen Menschen begegnete. Ich möchte Ihnen drei Lebensweisen vorstellen, die sich immer wieder herauskristallisiert haben. Berufungen. Jede von ihnen enthält Praktiken, mit denen sich jeder von uns auf seinem Weg an der Neugestaltung der Welt beteiligen könnte.
I've been looking back across my 20 years of listening to the world and being in a radio and podcast conversation with wise and graceful lives. And I want to share with you three arts of living that have persistently emerged. Callings. Each of them carries practices towards what it might mean for each of us to participate as we move forward in the remaking of this world.
Erstens geht es darum, die generative Geschichte zu sehen, das generative Narrativ unserer Zeit. Wir beherrschen und kennen die Narrative von Katastrophen, Störungen und Chaos bis ins Detail. Das ist real. Aber das ist nicht unsere ganze Geschichte. Es gibt auch eine reiche Realität von Dingen, die zu jeder Zeit gut und richtig funktionieren – von gerade ablaufendem Lernen und Wachstum, von Evolution und Durchbruch.
The first is to see the generative story, the generative narrative of our time. We are fluent in and very familiar with the narrative of catastrophe and dysfunction and disarray. And that is real. But it's not the whole story of us. There is also an abundant reality of things going right at any given time. Of learning and growth that are happening, of evolution and breakthrough.
Oft, wenn ich den Ausdruck “generatives Narrativ” verwende und Menschen ihn zum ersten Mal hören, sagen sie mir: „Geben Sie uns doch ein Beispiel.“ Und ich sage: „Schauen Sie sich einfach um.“ Selbst wenn wir diesen speziellen Ort verlassen und an all die Orte zurückkehren, von denen wir gekommen sind, ist es normal, dass verschiedene Menschen mit verschiedener Lebensweise Wege finden, um zu helfen. Sie stehen vor einer Welt voller Schmerzen. Sie arbeiten mit kaputten Formen. Sie arbeiten wahrscheinlich in inzwischen sinnfernen Institutionen und sie stärken die Menschen um sich herum, indem sie auf viele Arten zu Heilern und sozial Kreativen werden.
One of the things that happens when I use this phrase, the generative narrative, and people hear it for the first time is sometimes they'll say, "Well, give me an example." And I say, "Just look around you." Even when we leave this special place and go back to all the places we came from, it is ordinary that all kinds of people with all kinds of lives are finding ways to be of service. They are standing before a world in pain. They are working with forms that are broken. They're probably working in institutions that don't quite make sense anymore, and they're having an edifying effect on the people around them, becoming healers and social creatives in so many forms.
Doch wir sind seltsame Kreaturen, das ist eine unserer seltsamsten Eigenschaften. Wir wissen nicht, wie wir unsere generative Geschichte so anschaulich erzählen können. Wir wissen nicht, wie wir sie so ernst nehmen sollen wie die Geschichte des Bruchs. Und das ergibt Sinn, da wir in der Lage sind, genauer in unser Gehirn und unseren Körper zu schauen. Unser Gehirn ist hervorragend geeignet, um uns zu schützen und vor Gefahren zu bewahren. Es ist fasziniert von dem, was schiefgeht. Es sucht ständig danach, was als Nächstes schiefgehen wird. Diese Grundausrichtung zeigt sich auf den anspruchsvollsten Gebieten, sicher im Bereich des Journalismus, in dem ich ausgebildet wurde. Wir müssen uns tatsächlich aktiver und bewusster orientieren, wenn wir uns darum kümmern wollen, was gut und erlösend ist, und uns davon fesseln lassen wollen.
Now we are strange creatures, and this is one of our strangest qualities. We don't know how to tell this generative story of us as vividly. We don't know how to take it as seriously as that story of rupture. And this has started to make sense as we are able to peer more intricately inside our brains and bodies. It turns out that our brains are exquisitely designed to keep us safe and on the alert for danger. Our brains are riveted by what goes wrong. They are looking in every instant for what will go wrong next. And this underlying orientation turns up in our most sophisticated places, certainly in the field of journalism, in which I trained. It turns out that we actually have to more actively, consciously orient ourselves if we want to attend to and get riveted by what is good and redemptive.
Das ist eine Aufforderung, das Gute in sich aufzunehmen. Und einfach zu sagen, darauf hinzuweisen, dass es eine generative Geschichte unserer Zeit gibt, dass man sie sehen kann, das ist ein guter Anfang. Nehmen Sie das Gute auf. Es soll das Gesamtbild der Welt, an der Sie arbeiten, aktiv mitgestalten. Und wenn Sie das tun, machen Sie das Generative — diese ganze Landschaft generativer Menschen und Projekte — sichtbarer und prägender für sich selbst und diese Welt, die so viel Schmerz und so viel Verheißung mitbringt.
The invitation here is to take in the good. And just naming, calling it out, that there is a generative story of our time, that you can see it too, this is a way to begin. Take in the good. Let it start to actively shape the whole picture of the world you are working with. And when you do that, you begin to make the generative -- this whole landscape of generative people and projects, more visible and defining to themselves and to this world which carries so much pain and so much promise.
Mein zweites Angebot ist, die Fragen zu leben. Das ist ein Geschenk des Dichters Rainer Maria Rilke, der mir ein Freund von Zeit und Raum in den Jahren wurde, die ich als sehr junge Journalistin im geteilten Berlin des Kalten Krieges verbrachte. Anfang des 20. Jahrhunderts schrieb Rilke eine wunderbare Reihe von Briefen an einen jungen Dichter, in denen er riet: „Hab Geduld mit allem, was in deinem Herzen ungelöst ist.“ Er sagte: „Versuche, die Fragen selbst so zu lieben, als wären sie verschlossene Räume oder Bücher in einer sehr fremden Sprache.“ Er sagte: „Versuche nicht, nach Antworten zu greifen, die du jetzt nicht bekommen kannst, weil du sie nicht leben könntest.“ Es geht darum, alles zu leben. Lebe die Fragen jetzt, dann werden sich vielleicht eines Tages in ferner Zukunft allmählich und unmerklich die Antworten offenbaren.
My second offering is to live the questions. And this one is a gift from the poet Rainer Maria Rilke, who became a friend across time and space to me in years I spent as a very young journalist in divided Cold War Berlin. In the early 20th century, Rilke wrote a wonderful series of letters to a young poet in which he counseled, "Be patient with all that is unresolved in your heart." He said, "Try to love the questions themselves as though they were locked rooms or books written in a very foreign language." He said, "Don't try to reach for the answers which could not be given to you now because you would not be able to live them." The point is to live everything. Live the questions now, then, perhaps someday far in the future, you will gradually, without even noticing it, live your way into the answers.
Wie wir war Rilke Bürger eines jungen Jahrhunderts mit spektakulärem Potenzial, Dinge zu erschaffen und zu zerstören. Und es kommt mir so vor, als seien die großen Herausforderungen, all die großen Herausforderungen vor unserem jungen Jahrhundert, auf einer gewissen Ebene riesige, schmerzhafte offene Fragen. All unsere Herausforderungen, ob ökologisch, ethnisch, wirtschaftlich, spirituell, politisch — große, schmerzhafte offene Fragen, auf die wir in absehbarer Zeit keine echten Antworten haben werden. So komme ich also wieder auf die Weisheit zurück, dass wir in dieser Situation dazu berufen sind, die Fragen selbst zu ehren und uns ihnen zu widmen.
Like us, Rilke was a citizen of a young century with spectacular potentials for creating and destroying. And it's come to seem to me that the great challenges, all of the great challenges before our young century on some level are vast, aching open questions. All of our challenges, ecological, racial, economic, spiritual, political -- vast, aching, open questions for which we will not have anything like answers any time soon. So I find myself returned anew to this wisdom that when we find ourselves in this situation, we are called to honor and dwell with the questions themselves.
Unsere heutige Kultur ist in die Form von Worten verliebt, die eine Antwort, eine Meinung darstellen. Und wir sind verliebt in den Umgang mit Worten, die ein Argument darstellen. Aber Fragen sind eine mächtige Form von Worten. Als Interviewerin weiß ich, dass Fragen Antworten gleichen Typs auslösen. Antworten hängen von den Fragen ab, die gestellt werden. Und es ist eine tiefe, tiefe Wahrheit, in der Wissenschaft wie im Leben, dass wir zu jedem Zeitpunkt sowohl von den Fragen in uns als auch von den Antworten geprägt werden, die wir geben können. Die Momente, in denen sich eine neue Frage stellt und uns innehalten lässt, sind Dreh- und Angelpunkte. Es sind Momente, in denen sich die Möglichkeit einer Entdeckung auftut. Lassen Sie sich also auf das Abenteuer einer neuen Ehrfurcht vor den Fragen ein, die in Ihnen lebendig sind, den Fragen, die in der Welt um Sie herum lebendig sind.
Now we live in a culture that is in love with the form of words that is an answer, an opinion. And we are in love with the way with words that is an argument. But a question is a mighty form of words. As an interviewer, I know that questions elicit answers in their likeness. Answers rise or fall to the questions they meet. And it is a deep, deep truth in science as in life that at any given moment we are being shaped as much by the questions we're carrying as by the answers we have it in us to give. Those moments when a new question rises up in us, stops us in our tracks, those are pivot points. Those are moments when the possibility of discovery breaks in. So the invitation here is to engage the adventure of a new reverence for the questions that are alive in you, the questions that are alive in the world around you.
Die Frage, die sich vermutlich fast jeder von uns angesichts unserer Welt voller Schmerzen und Problemen stellt: „Kann ich überhaupt etwas bewirken? Wo fange ich an?“ Nehmen Sie sich Zeit, um Ihre Variante zu dieser Frage zu formulieren. Schreiben Sie sie auf. Verpflichten Sie sich, sie in den nächsten Monaten mit sich zu tragen, im Kopf zu behalten. Sehen Sie ihr Potenzial und wie Sie sich ihm nähern oder sich davon entfernen. Ich habe die Erfahrung gemacht: Wenn man einer Frage treu bleibt und sie lebt, kommt diese Frage treu zu einem zurück.
That question, which I believe almost every one of us standing before our world and its pain and its problems, wondering, "How can I possibly make a difference? How to begin?" Spend some time formulating your variation on that question. Write it down. Commit to having it over your shoulder, in your ear as you move through the next few months of your life. See what it invites you to see and to move towards and to move away from. I have found that if you are faithful to living a question, that question will be faithful back to you.
Bei meinem dritten Angebot geht es um Berufung und Ganzheit. Das lateinische Wort für „Berufung“, „vocare“, ist die Wurzel unseres englischen Wortes „Berufung“. In der Welt, in die ich geboren wurde, setzte man Berufung sehr eng mit Arbeit und Berufswahl gleich. Aber wir sind nicht nur dazu berufen, Träger eines Berufs zu sein. Wir sind berufen, Freunde, Nachbarn, Familienmitglieder und Bürger zu sein. Liebende der Welt. Und so wie es Berufungen fürs Leben gibt, gibt es Berufungen für unsere Zeit. Mir scheint, unsere jetzige Generation, die Generation unserer Spezies, ist zu nichts Geringerem als zur Ganzheit berufen. Wir haben es in uns, herauszufinden, was es bedeuten würde, intakte Menschen in intakten Gesellschaften mit intakten Institutionen zu kultivieren,. Wir laden Sie ein, Ihre starke, realitätsverändernde Vorstellungskraft, Ihre Intelligenz, Ihre Energie und Ihren Willen dem Potenzial von Ganzheit zuzuwenden. Und wie man sich darauf einlässt. Eins möchte ich klarstellen: Ganzheit hat nichts mit dem Streben nach Perfektion zu tun. Es geht nicht darum, Perfektion zu erreichen, und ganz zu werden bedeutet auch nicht, dass wir weniger seltsam, wild oder kompliziert werden. Ganz werden bedeutet eigentlich, sich gemeinsam weg vom Todbringenden und hin zum Lebensspendenden zu orientieren.
And my third offering is about calling and wholeness. The Latin word for “calling,” “vocare,” is the root of our word in English, "vocation." And in the world in which I was born, vocation was very narrowly equated with work and job title. But we are not called merely to be professional people. We are called to be friends, neighbors, family, citizens. Lovers of the world. And just as there are callings for a life, there are callings for our time. It has come to seem to me that our generation in time, our generation of our species, is called to nothing less than wholeness, that we have it in us to figure out what it would mean to cultivate whole human beings with whole institutions, living in whole societies. The invitation here is to turn your powerful reality-shifting imagination, your intelligence, your energy, your will towards the possibility of wholeness. How to live into that. And I want to be very clear that becoming whole has nothing to do with aspiring to perfection. It is not about achieving perfection, and becoming whole also does not mean that we become less strange or wild or complicated. Becoming whole would mean that we orient together away from what is death-dealing and towards what is life-giving.
Trotz aller Brüche in unserer Welt offenbart die Wissenschaft unserer Zeit alles Leben in seinem Beharren auf Ganzheit, dem Zusammenspiel zwischen dem Körper, der natürlichen Welt, dem Leben, das wir gestalten, den Welten, die wir erschaffen.
Every fracture of our world notwithstanding, the science of our age is revealing all of life in its insistence on wholeness, the interplay between our bodies, the natural world, the lives we make, the worlds we create.
Trotz aller Dilemmas rund um unsere Technologien haben uns diese Technologien zum ersten Mal in der Geschichte unserer Spezies die Werkzeuge an die Hand gegeben, um als Spezies zu denken und zu handeln. Bedenken Sie das. Es ist die Berufung von Berufungen, all das lebendiger, greifbarer und realer zu machen. Dabei beginnt jeder von uns bei sich und dem ihm gegebenen Leben. Im Laufe meiner vielen Gespräche habe ich gelernt, dass Weisheit und Ganzheit in Momenten wie unseren auftauchen, auch wenn unser eigener großgeschrieben wird, wo Menschen scheinbar gegensätzliche Realitäten in einer kreativen Spannung und einem Wechselspiel halten müssen: Macht und Zerbrechlichkeit, Geburt und Tod, Schmerz und Hoffnung, Geheimnis und Überzeugung, Gebrochenheit und Schönheit, Ruhe und Wildheit, meine und Ihre.
And every dilemma around our technologies notwithstanding, our technologies have given us, for the first time in the history of our species, the tools to think and act as a species. Take that in. It is the calling of callings to make that more vivid and tangible and real, each of us starting inside ourselves and with the lives we've been given. And across my life of conversation, I have learned that wisdom and wholeness emerge in moments precisely like ours, though ours is writ large, where human beings have to hold seemingly opposing realities in a creative tension and interplay, power and frailty, birth and death, pain and hope, mystery and conviction, brokenness and beauty, calm and fierceness, mine and yours.
Fangen wir an.
Let's begin.
Danke.
Thank you.
(Applaus)
(Applause)