Als kleines Mädchen stellte ich mir vor, dass ich eines Tages von Zuhause weglaufe. Seit dem sechsten Lebensjahr bewahrte ich eine Tasche mit Kleidung und Konservendosen in meinem Wandschrank auf. In mir war eine tiefe Unruhe, eine Angst, Opfer zu werden, von einem Leben voller Routine und Langeweile. Viele meiner frühkindlichen Erinnerungen beinhalteten komplizierte Wachträume, in denen ich Grenzen überschritt, Beeren sammelte und allerlei seltsame Leute traf, die unkonventionelle Leben auf der Straße führten.
As a little girl, I always imagined I would one day run away. From the age of six on, I kept a packed bag with some clothes and cans of food tucked away in the back of a closet. There was a deep restlessness in me, a primal fear that I would fall prey to a life of routine and boredom. And so, many of my early memories involved intricate daydreams where I would walk across borders, forage for berries, and meet all kinds of strange people living unconventional lives on the road.
Die Jahre sind vergangen, aber viele meiner Abenteuer, von denen ich als Kind fantasierte -- zu reisen; meinen Weg zu erfinden zwischen Welten, anders als der meinen -- wurden durch meine Arbeit als Dokumentarfotografin Wirklichkeit. Aber keine andere Erfahrung kam meinen Kindheitsfantasien so nah, wie die, wie andere Herumtreiber zu leben und ihr Leben überall in den USA zu dokumentieren. Das ist der Traum vom nomadischen Leben, eine andere Art amerikanischer Traum, gelebt von jungen Landstreichern, Herumreisenden, Trampern, Nichtsesshaften und Vagabunden.
Years have passed, but many of the adventures I fantasized about as a child -- traveling and weaving my way between worlds other than my own — have become realities through my work as a documentary photographer. But no other experience has felt as true to my childhood dreams as living amongst and documenting the lives of fellow wanderers across the United States. This is the nomadic dream, a different kind of American dream lived by young hobos, travelers, hitchhikers, vagrants and tramps.
In den meisten Köpfen ist der Vagabund Teil der Vergangenheit. Das Wort "Landstreicher" erinnert an ein Schwarz-Weiß-Foto eines dem Wetter ausgesetzten, verrußten Mannes, der seine Beine aus einem Waggon baumeln lässt. Aber diese Fotos sind in Farbe: Sie porträtieren eine Gemeinschaft, die im Land herumwirbelt, heftig lebendig und schöpferisch frei. Sie sehen das Amerika, das sonst niemand zu sehen bekommt.
In most of our minds, the vagabond is a creature from the past. The word "hobo" conjures up an old black and white image of a weathered old man covered in coal, legs dangling out of a boxcar, but these photographs are in color, and they portray a community swirling across the country, fiercely alive and creatively free, seeing sides of America that no one else gets to see.
Wie ihre Vorgänger bereisen die heutigen Nomaden die Hauptverkehrsadern der Vereinigten Staaten aus Stahl und Asphalt. Am Tag springen sie auf Güterzüge oder strecken den Daumen raus, und fahren auf der Autobahn mit jedem mit, egal ob Lkw-Fahrer oder nicht berufstätige Mütter. Nachts schlafen sie unter den Sternen, gekauert an ihr Rudel aus Hunden, Katzen und Haustierratten zwischen ihren Körpern.
Like their predecessors, today's nomads travel the steel and asphalt arteries of the United States. By day, they hop freight trains, stick out their thumbs, and ride the highways with anyone from truckers to soccer moms. By night, they sleep beneath the stars, huddled together with their packs of dogs, cats and pet rats between their bodies.
Manche Reisende haben sich dieses Leben ausgesucht, verzichten auf Materielles, herkömmliche Arbeit und Uni-Abschlüsse im Tausch gegen einen Hauch von Abenteuer. Andere kommen von der Schattenseite der Gesellschaft; sie bekamen sie nie, die Chance zum sozialen Aufstieg: Ausbrecher aus Pflegefamilien, jugendliche Ausreißer auf der Flucht vor Missbrauch und unversöhnlichen Elternhäusern.
Some travelers take to the road by choice, renouncing materialism, traditional jobs and university degrees in exchange for a glimmer of adventure. Others come from the underbelly of society, never given a chance to mobilize upwards: foster care dropouts, teenage runaways escaping abuse and unforgiving homes.
Was andere als Geschichten von Entbehrung und wirtschaftlichem Versagen ansehen, betrachten die Reisenden durch das Prisma der Befreiung und Freiheit. Lieber zehren sie vom Überfluss einer -- aus ihrer Sicht -- verschwenderischen Konsumgesellschaft, als sich mit einer unrealistischen Chance auf den herkömmlichen "American Dream" abzurackern. Sie nutzen die Tatsache aus, dass in den USA bis zu 40 % der Lebensmittel im Abfall landen, in dem sie nach einwandfreien Nahrungsmitteln in Containern und Abfalleimern suchen. Sie opfern materiellen Komfort im Austausch gegen den Raum und die Zeit, ihr kreatives Inneres zu entdecken, um zu träumen, zu lesen, Musik zu machen, Kunst zu erschaffen und zu schreiben.
Where others see stories of privation and economic failure, travelers view their own existence through the prism of liberation and freedom. They'd rather live off of the excess of what they view as a wasteful consumer society than slave away at an unrealistic chance at the traditional American dream. They take advantage of the fact that in the United States, up to 40 percent of all food ends up in the garbage by scavenging for perfectly good produce in dumpsters and trash cans. They sacrifice material comforts in exchange for the space and the time to explore a creative interior, to dream, to read, to work on music, art and writing.
Aber es gibt viele Aspekte an dieser Art zu leben, die alles andere als idyllisch sind. Niemand verliert seine inneren Dämonen, indem er auf der Straße lebt. Drogensucht und extremes Wetter gehören zur Wirklichkeit, Güterzüge verstümmeln oder töten, und wer auf der Straße gelebt hat, kann ein Zeugnis von der Unmenge an Gesetzen ablegen, wodurch sich Obdachlose strafbar machen. Wussten Sie, dass es in vielen Städten der USA nun illegal ist, auf dem Bordstein zu sitzen, sich in eine Decke zu wickeln, im eigenen Auto zu übernachten, einem Fremden Essen anzubieten? Ich kenne diese Gesetze, weil ich sah, wie Freunde und andere Herumreisende ins Gefängnis geschleppt oder vorgeladen wurden, weil sie diese sogenannten "Verbrechen" begangen hatten.
But there are many aspects to this life that are far from idyllic. No one loses their inner demons by taking to the road. Addiction is real, the elements are real, freight trains maim and kill, and anyone who has lived on the streets can attest to the exhaustive list of laws that criminalize homeless existence. Who here knows that in many cities across the United States it is now illegal to sit on the sidewalk, to wrap oneself in a blanket, to sleep in your own car, to offer food to a stranger? I know about these laws because I've watched as friends and other travelers were hauled off to jail or received citations for committing these so-called crimes.
Vielleicht fragen Sie sich, wieso jemand ein Leben wie dieses wählt, unter der Fuchtel diskriminierender Gesetze, aus Mülltonnen zu essen, unter Brücken zu schlafen, hier und da Saisonjobs anzunehmen. Darauf gibt es so viele Antworten wie Menschen, die dieses Leben führen, aber Herumreisende antworten oft mit einem Wort: Freiheit. Bis wir in einer Gesellschaft leben, wo jedem Menschen seine Würde bei der Arbeit garantiert wird, sodass sie arbeiten, um gut zu leben, und nicht nur um zu überleben, wird es immer auch jene geben, die die "offene Straße" aufsuchen: als Mittel zur Flucht, zur Befreiung und selbstverständlich zur Rebellion.
Many of you might be wondering why anyone would choose a life like this, under the thumb of discriminatory laws, eating out of trash cans, sleeping under bridges, picking up seasonal jobs here and there. The answer to such a question is as varied as the people that take to the road, but travelers often respond with a single word: freedom. Until we live in a society where every human is assured dignity in their labor so that they can work to live well, not only work to survive, there will always be an element of those who seek the open road as a means of escape,
Vielen Dank.
of liberation and, of course, of rebellion.
(Applaus)
Thank you.